0405 - Fluchtweg durch die Unterwelt
einer Bewegung.
Dann erschien ein Schatten zwischen Schränken, huschte an der offenen Tür vorbei und nahm Kurs auf den Erfrischungsraum.
Die Frau trug in der einen Hand ihre Handtasche, in der anderen hielt sie ihre Schuhe. Den Stock hatte sie zurückgelassen. Sie würde ihn kaum noch holen, das Requisit hatte ausgespielt.
***
Ich zog mich schnell und geräuschlos in die Küche zurück, wo ich in einer Ecke hinter Kitteln ein einigermaßen brauchbares Versteck fand, weil es im Schatten lag. Ich hatte es mir schon vorher ausgesucht. Hoffentlich sah sie sich nicht zu gründlich um.
Ich musste mit den Knien einknicken und nahm eine ziemlich ungemütliche Stellung ein, die ich bestimmt nicht länger beibehalten konnte.
Miss Gelb öffnete einen Kühlschrank und holte sich ein Stück Torte heraus, das sie gemütlich verzehrte. Sie ließ sich sogar Zeit, dafür einen Teller und einen Löffel zu benutzen. Anschließend trank sie direkt aus einem Glaskrug einige Schluck Milch und machte dann die Tür des Kühlschrankes wieder leise zu.
Ich hoffte, dass sie jetzt gehen würde, doch sie blieb stehen und sah sich nachdenklich um.
Diese Situation war gefährlicher, als wenn ich es mit einem Gangster der übelsten Sorte zu tun gehabt hätte. Wenn sie mich entdeckte, dann war unser Film gerissen, und das Leben von Rex Dallinger stand auf dem Spiel.
Ich konnte sie zwar so entkommen lassen, dass es aussah, als hätte sie ihre gelungene Flucht ihrem eigenen Talent zu verdanken; ob sie es glauben würde, war eine andere Frage.
Mir wurde ganz schön warm hinter den weißen Kitteln. Da drehte sie sich um und ging zur Treppe, lautlos wie eine Katze.
Ich durfte nicht lange zögern und folgte ihr auf meinen Gummisohlen.
Ihr Schatten huschte am Eingang zum siebten Stock vorbei, bald danach sah ich sie am sechsten Stock auftauchen. Sie ging hinein. Ich wusste auch, was sie dort wollte, denn es war die Abteilung Damenkonfektion und Zubehör.
Die letzte Umwandlung sollte jetzt über die Bühne gehen.
Im fünften Stock wartete ich ab, gut verborgen hinter Herrenmänteln.
Es war kurz vor halb elf, als sie draußen vorbeiging.
Ihre Haltung war immer noch ein wenig vorgeneigt, wahrscheinlich ließen die Banknotenbündel keine straffere Haltung zu. Im Übrigen sah sie nun aber etwas flotter aus vorher, denn sie war jetzt in hellgrün. Der Mantel saß gut, und der Hut stand ihr ebenfalls. Ihre dunkelblaue Tasche hatte sie mit einem Modell aus Krokodilleder vertauscht.
Die Abteilung Herrenkonfektion ignorierte sie, und ich sah sie noch gerade rechtzeitig im vierten Stock verschwinden, wo außer Spielzeug auch die Sportabteilung war. Sie lag nach hinten in Richtung des Lastenaufzugs.
Ich ging nicht eher hinein, bis ich sie rechts im Hintergrund hörte, wo sie vorsichtig herumkramte.
Rechts vom Eingang blieb ich neben einem aufgeschlagenen Indianerzelt stehen. Ich wollte mich eben nach einem besseren Versteck umsehen, als ich von der Treppe her eine Bewegung hörte. Es war, als wenn Stoff an der Wand entlang scheuerte, und im nächsten Augenblick lag der Schatten eines schlanken Mannes in der Tür.
Es war mit Sicherheit nicht der Schatten des Nachtwächters, denn der Mann, der da stand und zu horchen schien, trug einen Hut.
Ich hatte keine Zeit mehr, große Bewegungen zu machen, und außerdem auch keinen Platz dazu. Ich nahm schnell meinen Hut ab, legte ihn hinter das Zelt auf das künstliche Gras und ergriff einen langen Speer, der neben dem Zelt stand. Es gelang mir noch, ein buntes Tuch von einer Leine zu ziehen und über mich zu hängen, dann trat ich einen halben Schritt zurück, erstarrte und war nur noch Figur.
Meine untere Hälfte war durch ein Kanu, das hochkant neben mir an der Wand lehnte, versteckt. Von meiner zivilen Ausrüstung war deshalb nichts zu sehen. Außerdem stand auf der anderen Seite des Zeltes noch eine ganze Indianerfamilie. Wer hier hereinkam, sah immer zuerst diese Figuren und war dann schon fast an mir vorbei. Ich konnte gut als Trapper auf Besuch oder so durchgehen.
Als weiteren Pluspunkt rechnete ich das ständige Zucken der bunten Lichter, die ohnehin alles unwirklich erscheinen ließen.
Ich war gespannt, wer da nun gleich auf tauchen würde.
Sollte das einer der Gangster sein, der die Frau mit dem Geld sicher nach Haus bringen wollte? Bei dieser Partie war schon so viel vom Kurs abgewichen worden, dass auch das möglich war.
Er musste von unten gekommen sein, also konnte dem Nachtwächter
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