0405 - Fluchtweg durch die Unterwelt
Chef?«
»Einen Stock höher, Zimmer 3. Aber der hat jetzt keine Zeit.«
Er hatte Zeit. Ich musste ziemlich giftig aussehen, denn die Sekretärin meldete mich nach einem kurzen prüfenden Blick sofort an.
Der Chef sah aus wie eine knurrige Bulldogge. Während ich ihm in wenigen Stichworten die Story von Rex Dallinger und Miss Gelb hinlegte, besah er sich genau meinen Ausweis, machte eine Notiz auf seinem Block und nickte dann kurz.
»Verstehe, Agent Cotton. Gehen Sie zurück in die Küche und behalten Sie von da Fahrstühle und Ausgang im Auge. Ich werde rückfragen, und wenn die Geschichte stimmt, können Sie auch ohne Durchsuchungsbefehl hierbleiben. Die anderen Kollegen müssen räumen. Ich sehe Sie gleich wieder.«
Er schob mir meinen Ausweis zu, und ich zog ab. Bolt wurde kurz verständigt. Er sagte trocken »Gute Nacht«, und verschwand.
Die Chefin vom Erfrischungsraum legte gerade das Haustelefon wieder auf, als ich erschien. Sie wusste schon Bescheid und führte mich hinter die Theke, wo eine Durchsicht war, die man von der anderen Seite kaum erkennen konnte.
Während wir dort warteten, erklärte sie mir, dass ein Verlassen des Stockwerks für die Dame unmöglich gewesen war, wenn wir die regulären Ausgänge überwacht hatten.
Miss Gelb musste also noch hier sein.
Es wäre leicht gewesen, alles durchzukämmen, um sie dann mit den 100 000 Bucks herauszuschütteln, aber dann platzte der Rest unseres Plans. Entweder führte sie uns ungewollt zu Rex, oder sie ging mit den Moneten durch. Etwas anderes stand nicht in unserem Drehbuch.
Mein vager Verdacht, dass die Schlange hier oben etwas vorhatte, war also richtig.
Wenn sie sich ahnungsvoll auf Überwachung eingerichtet hatte, dann tat sie jetzt genau das Richtige. Sie versteckte sich hier oben, hatte die Nacht über Zeit, sich in wer weiß was zu verwandeln -praktisch gehörte ihr das ganze Kauf--haus -, und morgen früh spazierte sie als etwas, das wir vorher nie gesehen hatten, irgendwann aus der Tür.
Es war jetzt Freitagabend halb zehn.
Seit zwei Stunden stand ich allein auf meinem Ausguck und wartete darauf, dass sich einmal dahinten etwas regte und Miss Gelb zum Vorschein kam.
Das Haus war auf Notbeleuchtung geschaltet, was der Leuchtkraft grönländischer Tranfunzeln entsprach. Sie würde gerade eben ausreichen, um sich nicht mit den Händen zum Ausgang tasten zu müssen.
Zum Glück sprang der Broadway ein, der wahre Lichtorgien feierte. Durch die Fenster des Erfrischungsraumes blitzte, funkelte es unaufhörlich. Rote, grüne, blaue, gelbe, weiße Leuchtreklamen, einige konstant, andere wie Wasserfälle über die Wände laufend, schufen fantastische Effekte. Diese zuckende Lichtflut drang bis weit nach hinten in den achten Stock, und alle Formen wechselten hier ständig ihr Aussehen.
Er dauerte eine Weile, bis ich mich daran gewöhnt hatte.
Ich durfte mich nicht bewegen und schon gar nicht auf die Suche gehen, denn ich wusste nicht, ob Miss Gelb eine gute Übersicht hatte oder nicht. Vielleicht steckte sie in einem Schrank oder hinter Teppichen, die von den Wänden hingen. Da sie zuletzt dunkelblau gekleidet war, würde sie an Schattenstellen nur schwer zu entdecken sein.
Außerdem konnte ich warten, einmal musste sie zum Vorschein kommen.
Aus der Richtung des Treppenhauses kamen jetzt Geräusche. Das musste der Nachtwächter sein, von dem mir der Chef sagte, dass er instruiert würde und dass er sich nicht um mich zu kümmern hätte.
Er kam durch die große Glastür, deren widerliches Quietschen ich jetzt zum ersten Mal hörte. Während des normalen Tagesbetriebes war mir dieser Ton nicht aufgefallen. Dagegen musste etwas getan werden.
Ich hoffte, dass der Nachtwächter auch bei mir vorbeikommen würde.
Er ging zuerst durch die Möbelabteilung bis hinten zum Lastenfahrstuhl und kam dann gemächlich zurück. Er kam in den Erfrischungsraum und dann zur Seite, um die Küche zu inspizieren. Nun musste er an mir vorbei. Er warf mir nur einen Blick zu.
Ich winkte ihn heran und flüsterte fast unmittelbar in sein Ohr.
»Die Tür da vorn quietscht mächtig. Wenn die Frau hindurchgeht, kann ich nicht folgen, ohne dass sie es hört. Stellen Sie bitte einen Flügel auf.«
Er nickte und hauchte zurück: »Ist gut, mache ich dann unten auch.«
Damit zog er wieder ab.
Miss Gelb schien nur darauf gewartet zu haben, denn zehn Minuten später regte es sich in der Möbelabteilung. Es war kein bestimmtes Geräusch, es war mehr wie die Ahnung
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