0410 - Tödliche Perücken
bei meinem Friseur an der Ecke saß, las ich Illustrierte oder hörte mir den neuesten Klatsch aus der Nachbarschaft an. Die Damen hier lasen auch, aber die internationalen Modemagazine.
Mir stachen die Mitarbeiter ins Auge.
Ich achtete weniger auf die Figuren der Mädchen, sondern auf ihre Haare. Jede trug eine Perücke. Besonders stark fiel mir ein Mädchen mit grünem Drahtkopf auf. Ihre Haare erinnerten tatsächlich an zusammengerollte Bürsten. Sogar ein grauhaariges, junges Mädchen ging an uns vorbei. Da sie uns sehr nahe passierte, nahm ich ihren Geruch auf.
Sie stank nach Spray und nach etwas anderem.
Erst wollte ich es nicht wahrhaben, bis mir einfiel, dass es tatsächlich Moder gewesen war.
Ich schluckte.
Die Kleine war schon zu weit entfernt, als dass ich sie noch hätte festhalten können. Zudem kehrte Lydia zurück. Bei jeder Bewegung wippten die Stacheln auf ihrem Kopf mit.
»Mr. Sabre lässt bitten. Aber höchstens drei Minuten, denn der Maestro befindet sich in keiner guten Stimmung. Wir haben viel zu tun. Lisa ist leider ausgefallen.«
»Dann sagen Sie Ihrem komischen Meister doch, dass er selbst die Schere und den Kamm in die Hand nimmt und mal mitschnipselt.«
Diese Bemerkung hatte ich mir einfach nichtverkneifen können und wurde von Lydia angestarrt, als hätte ich von ihr und ihrem Meister etwas Verbotenes verlangt.
»Das hätten Sie nicht sagen dürfen!« hauchte Barney. »Dieser Kerl ist für die Mädchen wie ein Gott.«
»War er es auch für Lisa?«
»Leider.«
Lydia schritt vor uns her. Sie wusste genau, wie sie zu gehen hatte. Der Rand des Kittels bedeckte knapp ihr Hinterteil, das von einer Seite auf die andere schwang.
»Was halten Sie von ihr?« fragte mich Brookman.
»Nicht viel. Ich mag Menschen nicht, die andere nur nach dem Geldbeutel einschätzen. Und so ein Typ scheint mir diese Lydia zu sein.« Wir schritten einem Hauch von Vorhang zu, der einen halbrunden Durchgang bedeckte und dicht über dem Boden flatterte.
Lydia hatte ihn zur Seite geschoben. Ein durch indirekte Beleuchtung und mit hellbeigem Teppichboden ausgelegter Gang nahm uns auf. Ausstellvitrinen, gefüllt mit teuren Parfüms und exotischen Wässerchen, standen an einer Wandseite, die mit Reklamebildern bedeckt war. Zumeist zeigten diese Bilder schöne Frauen oder Männer in schicken Kleidungen und Frisuren.
Die Türen an der linken Seite führten zu Massage- und Ruheräumen. Aber auch das Büro des Trendsetters und Haarstylisten lag dort. Eine dunkle Mahagonitür wurde von Lydia geöffnet.
Sie lächelte uns knapp zu, bevor sie meldete, dass wir da waren.
»Ja, ich gebe ihnen drei Minuten.« Die Stimme klang überheblich, nasal und gleichzeitig so, als hätte der Sprecher überhaupt keine Lust, noch irgendein Wort hinzuzufügen.
Wir durften das Allerheiligste des Meisters betreten, und zum ersten Mal in meinem Leben stand ich Lucien Sabre gegenüber.
***
Wer oder was die Perücke leitete und dafür sorgte, dass sie sich vom Kopf erheben konnte, war Suko unbekannt und gleichzeitig egal. Er wollte nur nicht, dass ihn die Schlangen erwischten und erwürgten.
Das Schicksal des Mädchens Lisa war ihm Warnung genug.
Soweit es der enge Gang zuließ, sprang Suko zurück und schlug in der Rückwärtsbewegung zu.
Vielleicht ahnten die magischen Schlangen etwas von der Gefahr, die da auf sie zukam. Sie zuckten zurück, schafften es jedoch nicht, auszuweichen, und sie mussten den Treffer voll nehmen.
Die drei Riemen erwischten sie.
Suko sah zu, wie sie sich um das Gebilde wickelten und es in der Luft zur Seite schleuderten. Zunächst glaubte er, dass die Perücke an den Riemen festkleben würde, bis sie schließlich zu Boden fiel und dort liegen blieb.
Die Schlangen verdorrten.
Sie nahmen eine andere Farbe an, wurden brüchig und zerfielen zu Staub.
Es war für Suko eine leichte Übung gewesen, die lebende Perücke zu vernichten. Allerdings hatte er sie auf Distanz halten können und sie nicht unterschätzt.
Sehr vorsichtig ging er weiterhin ans Werk. Der Inspektor durchsuchte die Garderobe und die Schränke nach weiteren Perücken, aber er fand keine.
Deshalb blieb der Schluss, dass Lucien Sabre die anderen mitgenommen hatte. Da gab es wohl nur ein Ziel.
In sein Geschäft.
In der Wohnung hatte Suko das weiße Telefon gesehen. Er wollte nach oben gehen und versuchen, John Sinclair anzurufen. Vielleicht konnte er ihn warnen.
Rasch lief er die Stufen hoch und erreichte den extravagant
Weitere Kostenlose Bücher