0411 - Der Herold des Satans
selbst aber nicht, und das wird dir das Genick brechen.«
Manon wartete auf eine Antwort. Ich gab sie ihr. »Viele haben versucht, Lupina nachzueifern. Sie schafften es nicht.«
»Aber ich werde es schaffen. Denn ich besitze die Macht und die Helfer. Wer hatte denn schon eine solche Unterstützung? Wer konnte sich auf den Herold des Satans verlassen? Doch nur ich. Und deshalb werde ich diejenige sein, die die Macht der Wölfe an sich reißt. Ich will endlich, dass die Urzeiten anbrechen. Die Wölfe sollen das Land überschwemmen, denn sie sind die wahren Herren der Welt.«
Eine eindrucksvolle Rede, die mich jedoch kalt ließ. Zu oft hatte ich schon große Worte und Versprechungen gehört, die letztendlich nicht eingehalten wurden.
»Du schweigst?«
»Ja, ich warte darauf, dass etwas geschieht. Bisher hast du nur von deinen Plänen berichtet. Setze sie in die Tat um!«
»Das Spotten wird dir vergehen!« versprach sie mir und ging sehr langsam vor. Sie bewegte sich auf die Mitte des langen Esstisches zu, um genau dort stehen zubleiben.
Ich war sehr gespannt darauf, ob sie ihre Versprechungen in die Tat umsetzen würde, und darauf, ob Lupina tatsächlich erschien.
Wieder spürte ich das Schweigen. Selbst der neben mir hockende Bluthund verhielt sich ruhig. Ich hatte mich an das scharfe Hecheln gewöhnt gehabt, jetzt fiel mir auf, dass es nicht mehr vorhanden war.
Es gab sehr große Probleme, dieses Tier zählte ich zu den allergrößten. Wenn ich etwas tat oder eingriff, musste es zunächst einmal überwunden werden.
Das würde schwierig werden.
Manon Medoque tat nichts. Möglicherweise wartete sie darauf, dass ihr jemand half. Sie hatte den Herold erwähnt, wir hatten seinen Fanfarenklang gehört, und eigentlich hätte er in der Nähe sein müssen. Möglicherweise war es das, denn als Unsichtbarer lagen alle Vorteile auf seiner Seite.
Ich hörte ihn.
Überraschend schmetterte der Trompetenstoß durch den hallenartigen Raum. So laut wie nie blies er seine Fanfare. Das Echo rollte durch die Halle und zerrte an meinen Trommelfellen.
Ein Ruf wie Donnerhall, auf den Manon Medoque so sehnsüchtig gewartet hatte. Sie riss die Arme hoch.
Man kann sich in Wasser baden oder in Eselsmilch, wie es Kleopatra getan hatte. Manon badete sich in der Fanfare. Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich dabei. Sie war froh, die Augen leuchteten, da sie plötzlich direkt vor dem Ziel stand, nach dem sie so lange getrachtet hatte.
Es war für sie das Größte!
So geschmeidig wie eine asiatische Tempeltänzerin bewegtesie ihre Finger. Es mussten Zeichen sein, die von einer anderen Person gesehen oder verstanden werden sollten.
Noch schwebte der Fanfarenklang durch den Raum. So laut und aggressiv hatte ich ihn nie gehört. Aus dem Unsichtbaren war er in unsere Welt geschickt worden, zusammen mit dem, der ihn produziert hatte.
Maurice de Medoque, der Herold des Satans!
Es geschah das Gleiche wie in der vergangenen Nacht auf dem Marktplatz. Nur schälte er sich diesmal ohne mein Zutun aus dem Zwischenreich hervor. Genau an der Stelle, wo Manon vorhin gestanden hatte, schien die nicht sichtbare Hand eines geheimnisvollen Zeichners eine Figur zu malen. Eben diesen Werwolf in seiner mittelalterlichen Kleidung, den Helm auf dem Bestienkopf, den Waffen und der Schriftrolle in der Hand.
Es war ein schauriges, gleichzeitig faszinierendes Bild. Das aus den Strahlern fallende Licht traf ihn, es hüllte ihn ein wie ein schwacher Mantel und gab ihm den rötlichen Schimmer, der auf mich wirkte wie ein schleierartiges Gewand.
Die Fanfare ließ er sinken, bevor er sie in den Gürtel schob. Er steckte auch die Schriftrolle weg, und seine kalten Augen richteten sich auf Manon Medoque. Noch nie hatte ich erlebt, dass sich diese Person verneigte. Als sie ihren Ahnherrn sah, beugte sie den Oberkörper nach vorn und hieß den Werwolf willkommen.
Der nickte nur.
Dann aber sprach sie: »Ich habe dich aus dem Zwischenreich holen müssen, denn du bist derjenige, der mir den Weg zu ihr zeigen kann. Dein Fanfarenstoß erst hat es möglich gemacht, dass ich den Kontakt zu ihr aufnehmen konnte. Nur du bist es gewesen, und ich wünsche mir sehnlichst, dass uns Lupina erhört hat.« Sie atmete tief durch. Dann brüllte sie so laut los, dass selbst ich mich erschreckte.
»Lupina!«
Es war ein irrer, wilder Schrei, der durch den Saal hallte und die Wände erzittern ließ.
Wurde er gehört?
Wenn ja, musste sich die Königin der Wölfe zeigen. Noch tat
Weitere Kostenlose Bücher