0412 - Doppelmörder für drei Stunden
Schalter.
***
Seatons Pistole war genau auf mich gerichtet. Ich ließ meine Hände unten und sah Seaton lässig an.
»Was soll der Scherz?«, fragte ich.
»Wollte nur kontrollieren, ob du ein ›Echter‹ oder einer von den verdammten Schnüfflern und Polypen bist, die sich einschleichen wollen. Wenn du einer von denen gewesen wärst, hättest du zum Schulterhalfter gegriffen. Und das wäre dein Todesurteil gewesen, George Helborn. Sieh dir die kleinen Vertiefungen auf der Bleioberfläche der Stahltür ruhig an. Hin und wieder veranstalte ich hier ein Übungsschießen.«
»Okay, Seaton, damit wäre ich also gewarnt. Ein recht gefährliches Haus, wo der Boss auf seine Mitarbeiter schießt«, erwiderte ich seelenruhig.
»No, George, du hast die Probe bestanden. Du wirst in meiner Hand keinen Revolver mehr sehen.«
Der Gangster senkte die Waffe und legte sie auf den Holztisch.
»Kann ich jetzt gehen?«, fragte ich.
Ich drehte mich um, öffnete die Tür mit der Handkante, um keine Prints zu hinterlassen. Denn ich war überzeugt, dass Seaton anschließend die Fingerabdrücke nehmen ließ, um mich einzuordnen. Er war nicht der einzige Gangsterboss, der ein ausführliches Archiv über seine Kollegen, aber auch über G-men besaß. Wir wussten sogar, dass die Banden gegen hohes Honorar Dreierstreifen mit Foto der FBI-Agenten wie wertvolle Briefmarken austauschten.
Der Einäugige wartete an der Wohnungstür auf mich. Er grinste, als er mich sah.
»Veranstaltet Frank immer solche Intelligenzteste?«, fragte ich.
»No, nur bei Leuten, die ihm gefährlich erscheinen, Helborn«, erwiderte er leise.
»Danke für das Kompliment, Jack. Ich werde mich bemühen, euch nicht zu enttäuschen. Hast du mir ein Taxi besorgt?«
»Well, der Wagen steht noch vor der Tür. Er gehört ohnehin nach Hollywood. Berry wird dich in die Nähe des Belmondo fahren und den Wagen stehen lassen.«
So viel stand jetzt schon fest, der Boss des Rauschgiftrings hieß Frank Seaton. Er hatte mir den Posten eines Spezialisten für Kokainschmuggel angeboten.
Was ich bis jetzt wusste, reichte aus, um Seaton zu verhaften. Dann müsste ich jedoch entweder meine Rolle als George Helborn aufgeben und mich als FBI-Agent zu erkennen geben, oder die Polizei von Los Angeles einschalten. In beiden Fällen wäre mein Spiel zu Ende gewesen, und wir hätten noch nichts über den Verteilerring und über Seatons Mitarbeiter erfahren. Außerdem war ich überzeugt, dass auf das Konto seiner Bande der Doppelmord an den FBI-Vertrauensleuten ging.
Aber wo waren die Beweise? Wir mussten deshalb erst Steinchen für Steinchen Zusammentragen, ehe wir zuschlugen. Noch war es zu früh.
Aus dem gleichen Grund musste ich den Burschen laufen lassen, der das Taxi gestohlen hatte. Aber ich prägte mir sein Profil ein, während er mich die Bergstraße nach Hollywood hinunterfuhr. Bei der Generalabrechnung würde dieser Spitzbube nicht auf der Anklagebank fehlen.
Eine Meile vom Hotel entfernt ließ der Gangster das Fahrzeug stehen und stieg aus. Ich folgte seinem Beispiel.
Der Gangster schlug die entgegengesetzte Richtung ein. Ich trollte mich zum Luxushotel Belmondo und benutzte diesmal den vorderen Eingang. Der spanische Empfangschef mit den pomadigen, an den Kopf geklatschten Haaren stand wie eine Wachspuppe an der Rezeption. Als er mich sah, klappte sein Unterkiefer herab. Meine Erscheinung schien ihn zu überraschen.
Ich trat an die blanke Theke und wünschte ihm einen guten Morgen.
»Hat jemand nach mir gefragt?«, sagte ich.
»Ja. Lieutenant O’Hara. Er hat mehrere Male angerufen. Jetzt hockt er vor Ihrem Apartment.«
»Tut mir ausgesprochen leid. Sie hätten ihm sicherlich ein Zimmer zur Verfügung stellen können. Dann wäre das Warten für ihn angenehmer gewesen.«
Ich hetzte durch die Halle zum Aufzug und fuhr hinauf. Meine Reaktion verblüffte den Empfangschef noch mehr. Er hatte vermutet, dass ich fluchtartig das Hotel verlassen würde. Aber ich war überzeugt, dass O’Hara auch für den Fall vorgesorgt und seine Leute so verteilt hatte, dass ich nicht entwischen könnte.
Als ich im sechsten Stock den Lift verließ, empfing mich ein Officer.
»Morning, bin bereits informiert, dass Sie auf mich warten«, sagte ich und trabte über den Läufer.
Lieutenant O’Hara hing in einem Korbsessel, der mit Kunststoff überzogen war. Mit der Startgeschwindigkeit einer Rakete schoss er hoch, als er mich sah.
»Morning Lieutenant, tut mir leid, dass Sie die ganze Zeit
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