0412 - Doppelmörder für drei Stunden
Schnittwunde am Hals, die vom Rasierapparat herrührte. Heute Morgen hatte mein Elektrorasierer gestreikt.
Der Sergeant, der dem Frage- und Antwortspiel gefolgt war, spannte den dritten Bogen in die Maschine. Lieutenant O’Hara griff nach den ersten beschriebenen Seiten und studierte sie.
Als O’Hara mit dem Lesen fertig war, stiefelten einige seiner Leute ins Zimmer, die sich mit der Spurensicherung befasst hatten. Sie packten ihre Koffer aus und legten eine Handtasche aus Krokodilleder auf den Tisch. Sie musste Barbara Linch gehört haben. Aus einem zweiten Fach beförderten sie Dinge ans Licht, die in den Taschen eines Männeranzuges gesteckt haben mussten: ein Schlüsselbund, ein Ausweis für den Nightclub Excelsior, ein Taschenmesser, eine Geldbörse und eine Plastikdose, in der Filme für Kleinbildkameras geliefert werden.
»Keine Ausweispapiere?«, fragte O’Hara.
Seine Leute verneinten.
»Mehr haben wir nicht in den Taschen gefunden«, sagte ein Officer. Er erinnerte mit seinem Aussehen an meinen Freund Phil Decker, der in New York auf meinen ersten Anruf wartete.
»Das macht wieder ’rie Menge Arbeit. Erst Vermisstenanzeigen überprüfen, dann ein Bild des Ermordeten in die Zeitungen bringen«, stöhnte O’Hara.
»Sie behaupten also, diesen Mann nicht zu kennen«, wandte sich der Lieutenant dann an mich.
»No, Lieutenant, ich habe ihn noch nie zu seinen Lebzeiten gesehen, ebenso wenig das Girl«, antwortete ich wahrheitsgemäß.
Der Lieutenant schüttelte den Inhalt der Handtasche auf die schmale Tischfläche und diktierte dem Sergeanten, der immer noch an der Maschine saß, die einzelnen Teile. Es handelte sich um ein paar Lippenstifte, einen Lidstift, Wimperntusche, eine Puderdose mit Quaste, ein winziges Fläschchen Parfüm und einige Haarklemmen. Der Führerschein war auf den Namen Barbara Linch ausgestellt, geboren in New Bergen an der Ostküste. Dann zählte der Lieutenant die Dinge auf, die bei dem Ermordeten gefunden worden waren. Damit war er in wenigen Sekunden fertig.
»Also nichts Bemerkenswertes«, schloss O’Hara.
»Sie haben weder die Plastikdose noch die Puderdose geöffnet«, warf ich ein.
O’Hara zeigte mir sein grimmiges Gesicht. Aber er sprach kein Wort, sondern zog sich die Plastikdose heran und öffnete sie mit Hilfe von zwei Pinzetten. Dabei kippte die blaue Dose um. Der Inhalt ergoss sich auf den Tisch. Es handelte sich um ein weißes Pulver.
»Sie meinen natürlich Kokain«, sagte der Lieutenant, schon wesentlich unsicherer.
»Jedenfalls halte ich es nicht für Gesichtspuder«, erwiderte ich, »vermutlich haben Sie Fachleute, die Ihnen schnell eine Analyse machen können.«
O’Hara warf mir einen erstaunten Blick zu. Aber er sagte nichts. Ich musste mit meinem Fachwissen zurückhalten, wenn ich mich nicht verdächtig machen wollte.
Jedenfalls griff O’Hara auch zur Puderdose des Girls und öffnete sie mit der Pinzette. Die Puderdose enthielt ein Nylonsäckchen, in dem das gleiche weiße Pulver war.
»Sie scheinen verdammt gut informiert zu sein, Mr. Helborn«, knurrte O’Hara. »Fast zu genau. Meinen Sie nicht auch?«
Ich überhörte die Frage. Das umgekippte Plastikfilmdöschen lag mit der Öffnung zu mir. Ich sah auf dem Grund einen Fetzen Zeitungspapier.
»Wenn Sie mich schon für einen begeisterten Amateurdetektiv halten«, fuhr ich fort, »darf ich Sie auch noch auf das Papier aufmerksam machen, das auf dem Grund der Plastikdose liegt.«
Lieutenant O’Haras Gesicht verfärbte sich, er drehte die Dose und angelte mit einer langen Pinzette das Papier heraus. Er las halblaut den Text: Bildhübsche Schwedin, mit großer Sehnsucht, die weite Welt kennenzulernen, wünscht sich Heirat mit einem charaktervollen, kultivierten Herrn aus einem anderen Land. Sie ist Sekretärin, 22 Jahre alt, fünf Fuß, acht Zoll groß, ledig, treu, mit hellbraunen Haaren, betörendem Lächeln und einmalig hübscher Figur. Sie sind herzlich eingeladen, ihr zu schreiben, durch OEB-Club, 153, West 42nd, Suite 534,New-York City 36 USA.
»Eine Heiratsanzeige«, erklärte ich überflüssigerweise.
»Wollen Sie daraus nun eine verschlüsselte Gangstermeldung machen, Mr. Helborn?«, fragte O’Hara ärgerlich.
»Wäre nicht ganz ausgeschlossen. Aber vielleicht war der Ermordete tatsächlich daran interessiert, eine Schwedin kennenzulemen«, erwiderte ich. Die Anzeige war aus einem Wochenblatt herausgerissen worden. Ich erkannte es am besseren Papier und an der Schrift.
»Darf
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