0413 - Der Nebel-Vampir
Ich erinnere mich… sie war eine Vampirin… Verdammt, warum haben Sie mich nicht zu ihr gelassen? Wir hätten gemeinsam unseren Frieden finden können.«
»Sie beide als Vampire? Glauben Sie das wirklich?« Nicole sah ihn an. Sie drückte auf die Warnblinktaste und schaltete den Motor ab. »Wissen Sie, was es bedeutet, ein Vampir zu sein?«
»Unsterblichkeit«, sagte Cameron dumpf. »Ewiges Leben. Keine Krankheiten, kein Altern, keine Sorgen. Nur Leben.«
»Morden. Leben auf Kosten anderer. Leben vom Sterben anderer. Parasitendasein«, sagte Nicole hart. »Und – Leben ohne Seele. Denn die verfällt dem Teufel, der Hölle. Vampire sind Geschöpfe der Nacht und des Todes. Leben – ja. Aber ohne Glück, ohne Erfüllung.«
Cameron sah sie aus großen Augen an.
»Ich kannte Vampire. Eine Vampirin wechselte zur Seite des Lichts, vor vielen Jahren. Eine Russin. Tanja Semjonowa. Sie wurde zu unserer Freundin und Mitstreiterin. Aber sie wurde nie glücklich. Als sie getötet wurde, war es für sie eine Erlösung.«
Cameron schwieg.
»Ihre Frau ist tot, Stanley. Jetzt ist sie tot, jetzt hat sie ihren Frieden gefunden. Vorher war sie eine rastlose Wiedergängerin.«
»Hören Sie auf«, schrie Cameron. »Ich weiß es doch, verdammt. Ich weiß es!«
»Wirklich?«
»Ja, zum Teufel! Sie hatte mich in ihrem Bann… es war der Schock, die Überraschung, als sie plötzlich auftauchte. Aber ich habe doch gesehen, wie sie starb. Es konnte nicht sein. Es war ein Alptraum, nicht wahr?«
»Vielleicht«, sagte Nicole. »Was werden Sie jetzt tun? Den Strick nehmen und sich noch einmal aufhängen? Seien Sie kein Narr. Das Leben geht weiter, und es ist herrlich. Trotz allem. Ich bedaure, daß Juliet tot ist, aber sie hat jetzt ihren Frieden gefunden. Ihren Seelenfrieden, ihre ewige Ruhe. Das Böse ist gewichen.«
Cameron schluckte. »Lassen Sie mir Zeit zum Überlegen«, bat er. »Ich muß nachdenken. Vielleicht sehr lange. Lassen Sie mich in Ruhe. Wo bin ich überhaupt?«
»Wir haben Sie mitgenommen, um auf Sie aufpassen zu können, Stanley«, sagte Nicole.
»Aber warum – mitgenommen? Wo sind wir?«
»Auf Vampirjagd. Zamorra jagt den, der Juliet ermordet hat.«
Camerons Lippen waren ein schmaler, fast blutleerer Strich, so fest preßte er sie aufeinander. »Zamorra«, murmelte er. »Er tötete Juliet…«
»Er tötete die Vampirin, die Untote, Stanley«, korrigierte Nicole. »Juliet war bereits vorher tot.«
Cameron schwieg.
»Ja, ich glaube Ihnen«, sagte er endlich nach einer langen Weile. »Ich glaube es. Und ich hoffe, daß Zamorra diese verfluchte Bestie erwischt.«
Das, dachte Nicole, hoffe ich auch. Daß nicht die Bestie ihn erwischt…
***
Die Gefahr kam wieder.
Sie schreckte den Unheimlichen auf, der niemals ein Mensch gewesen war. Er war bestürzt. Er hatte geglaubt, noch Zeit zu haben. Doch nun wußte er, daß das ein Irrtum war.
Die Gefahr war unmittelbar vor ihm.
Er öffnete die Augen.
Der Nebel war für ihn kein Hindernis. Sein Sehen funktionierte auf einer anderen Basis. Er sah, daß der Jäger ihn gefunden hatte, der Fallensteller und Vernichter.
Er richtete sich auf. Versuchte sich zu verwandeln, seine Fluggestalt anzunehmen und unsichtbar zu werden. Aber er schaffte es nicht. Er war zu übersättigt, zu träge. Und er war zu erschrocken. Seine Reaktionen liefen zu langsam ab.
Zamorra stand vor ihm.
Zamorra hatte sein Versteck in der alten Ruine aufgespürt. Wer sie einst erbaut hatte und warum sie verlassen worden und dann zerfallen war, wußte niemand so recht zu sagen. Sie war ihm, dem Vampir, gerade recht gewesen, weil niemand hierher kam. Er war aus einer anderen Welt gekommen, die ihm fremd und feindlich geworden war. In Ash’Cant machten sich Kräfte breit, die ihm nicht mehr behagten, und er hatte ein Weltentor gefunden. Aus Ash’Cant, der Welt der rötlichen Nebel, war er in die Welt der grauweißen Nebel gekommen, und er hatte sofort Beute gefunden.
Aber jetzt stand sein Jäger vor ihm.
Der Vampir erhob sich. Fauchend richtete er sich zu seiner vollen Größe auf. Abermals versuchte er sich zu verwandeln, während er sich dem Feind entgegenwarf. Da flammte grünes Licht um den Feind herum auf. Der Vampir konnte nicht mehr ausweichen. Er stürzte in das grüne, wabernde Feuerfeld, das den Jäger umgab.
Er schrie und brannte.
Ein greller, silbriger Blitz zuckte aus der Zauberscheibe, die vor der Brust des Jägers hing. Er traf den Vampir. Ein zweiter, ein dritter Blitz folgte,
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