042 - In den Klauen der Knochenmänner
in mein Büro. Sie wollte telefonieren, schickte mich hinaus, holte mich aber eine Minute später wieder rein und gab mir den Hörer, und Mr. Peckinpah sagte mir dann, wie ich mich verhalten soll.«
»Sie kennen Peckinpah?«
»Dieses Heim erhält mit dankenswerter Regelmäßigkeit große Zuwendungen von ihm…« Der Leiter des Männerheims rang die Hände. »Ein Mord in diesem Haus …«
»Sagen Sie nicht immer Mord«, fuhr ich ihn an. »Miß Bonney hat garantiert in Notwehr gehandelt.«
Carpendale lachte gallig. »In Notwehr? Sie hätten Clive Hogan sehen müssen, Mr. Ballard. Das Fieber schüttelte ihn so heftig, daß er nicht einmal richtig bei Sinnen war. Er hat phantasiert, war geistig ganz woanders. Er war nicht in der Lage, Miß Bonney anzugreifen. Aber bitte… bitte …« Er hob die Hände. »Auch Mr. Peckinpah behauptete, es wäre nie und nimmer ein Mord gewesen. Da ich mir den Mund nicht verbrennen möchte, bin ich lieber still und sage kein Wort. Mr. Peckinpah hat die besten Beziehungen. Er wird ein Arrangement mit der Polizei treffen, davon bin ich überzeugt. Aber für mich ganz persönlich bleibt es ein … Na ja.«
»Es war Notwehr«, behauptete Mr. Silver und richtete sich auf.
»Unbestreitbar.«
»Das stand für mich von Anfang an außer Zweifel«, sagte ich.
»Der Mann hatte das Shlaakfieber«, sagte der Ex-Dämon.
Damit wußte Ron Carpendale nichts anzufangen. »Das Shlaakfieber? Davon habe ich noch nie gehört.«
»Das glaube ich Ihnen gern«, bemerkte der Hüne mit den Silberhaaren. »Es gibt bestimmt noch viel mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, von denen Sie nichts wissen, Mr. Carpendale.«
»Das Shlaakfieber?« fragte ich meinen Freund.
»Es tritt auf, wenn ein Mensch zum Shlaak wird.«
»Was, bitte, ist ein Shlaak?« fragte Carpendale.
»Es würde zu weit führen, Ihnen das zu erklären«, erwiderte Mr. Silver. »Außerdem würden Sie’s mir kaum glauben.« Er wandte sich an mich, denn von mir konnte er für alles, was er sagte, Verständnis erwarten. »Meines Erachtens befand sich Clive Hogan auf halbem Wege zum Shlaak, als Vicky hier eintraf, und dieser Halb-Dämon griff sie an. Sie war gezwungen, ihn zu töten.«
»Mich würde interessieren, was sie herausfand und wohin sie inzwischen gegangen ist«, sagte ich.
»Darüber müßte uns Tucker Peckinpah Auskunft geben können«, meinte der Ex-Dämon.
Ron Carpendale stand neben uns und fühlte sich zum Statisten degradiert. Shlaakfieber… Shlaak …
Halb-Dämon… Das alles war zu hoch für ihn, das begriff er einfach nicht.
Wir verabschiedeten uns von ihm. Auf das Telefon in seinem Büro waren wir nicht angewiesen. Ich wollte mich über den Apparat in meinem Wagen mit Tucker Peckinpah in Verbindung setzen.
Als wir einstiegen, schnarrte das Autotelefon. Der Anrufer war Peckinpah. »Endlich erreiche ich Sie, Tony.«
»Wir waren im Männerheim.«
»Deshalb rufe ich Sie an. Vicky hatte es mit einem Halb-Shlaak zu tun.«
»Das hat mir Mr. Silver schon eröffnet. Was mich jetzt brennend interessiert, ist: Wohin hat sich Vicky begeben?«
»Sie konnte den Halb-Shlaak zum Reden bringen. Er verriet ihr, wer der Anführer der Seelenräuber ist.«
»Tüchtiges Mädchen«, lobte ich.
»Ja, aber was mir nicht gefällt, ist, daß sie jetzt allein zu diesem gefährlichen Kerl unterwegs ist, Tony.«
»Bin ganz Ihrer Meinung, Partner«, pflichtete ich dem Industriellen bei. »Sorgen Sie dafür, daß Vicky wegen des Penners keinen Ärger kriegt?«
»Schon geschehen.«
»Sie sind der Beste. Was würden wir ohne Sie anfangen?« Ich startete den Motor und fragte den Industriellen nach Namen und Adresse des Shlaaks, der die Bande der Energiefresser anführte.
Als Tucker Peckinpah den Namen nannte, fuhr ich bereits los, und als die Adresse folgte, war ich zu Clint Harrison alias Prommon bereits unterwegs.
»Hoffentlich läßt sich Vicky zu keiner Unbesonnenheit hinreißen«, sagte Peckinpah.
»Sie ist ein gescheites Mädchen.«
»Ja, doch sie ist auch sehr ehrgeizig.«
»Was man nicht unbedingt als Fehler werten sollte.«
»Kommt darauf an, wie weit der Ehrgeiz das Mädchen treibt«, sagte Peckinpah besorgt. »Sie wollte sich das Haus, in dem Clint Harrison wohnt, nur mal ansehen.«
»Das darf sie.«
»Wahrscheinlich wird sie sich auch den Mann ansehen.«
»Wenn er es nicht bemerkt, ist das auch okay«, sagte ich, während ich meinen Wagen mit einer Hand Richtung Croydon steuerte.
»Und wenn er es bemerkt?« fragte Tucker
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