0421 - Willkommen im Fegefeuer
Plötzlich ging es nicht mehr weiter. Carol erschrak so heftig, daß sie sich an mir festhielt.
Ich sah mich um. Wenn wir das Ziel tatsächlich erreicht hatten, mußten wir auch etwas erkennen. Nach wie vor starrte ich in den wabernden Flammenvorhang und sah die Umrisse der beiden gefährlichen, im Fegefeuer gestählten Killer.
Carol hatte sich wieder fangen können. Sie atmete scharf ein und aus. »Was… was machen wir jetzt? Wir können nicht mehr fliehen. Nur noch Abschied nehmen.«
»Soweit ist es noch nicht«, erwiderte ich und versuchte, meiner Stimme einen optimistischen Klang zu geben.
»Gegen die beiden können sie nichts ausrichten. Und da ist auch noch Baphomet. Er wartet auf uns.«
»Ich weiß.« Mehr sagte ich nicht, denn ich schaute zu, wie sich die Flammen zurückzogen. Als hätte ihnen jemand einen Befehl gegeben, so tanzte das Feuer von der Plattform weg, nahm die beiden Killer mit, entließ sie aber sehr bald wieder und zog sich so weit zurück, bis es über die schwarze Wand einer Höhle zuckte.
Die beiden Killer sah ich deutlicher. Sie wirkten wie Zwillinge mit verschiedenfarbigen Haaren.
Der eine blond, der andere schwarz.
Aber beide hatten sie diese Klauen mit den langen Fingern, die sich zuckend bewegten.
Und noch ein Unterschied war vorhanden. Der blonde Mörder mußte gekämpft haben und war verletzt. Ich sah die langen Wunden, die eine bestimmte Waffe bei ihm hinterlassen hatte.
Es mußte die Dämonenpeitsche gewesen sein.
Aber sie hatte ihn nicht vernichtet. Diese Tatsache verursachte bei mir Magendrücken, da ich wußte, wie stark die Peitsche war.
Normalerweise wurde sie mit jedem Gegner fertig.
Der Schwarzhaarige stand wie ein Fels. Er hatte eine Silberkugel aufgefangen, als wäre es nichts. Ob er geschwächt war, konnte ich auch nicht sehen, jedenfalls schien seine Kampfkraft ungebrochen zu sein.
Es war keine panische Angst, die ich in meinem Innern fühlte.
Dafür eine Beklemmung, die so stark war, daß sie mich sogar beim Atmen störte. Oder lag es an der Luft, die von einem leichten Schwefelgeruch geschwängert wurde.
Wo steckte Baphomet?
Bisher hatte ich ihn nicht sehen können. Es war, als hätte er meine Gedanken gelesen, denn die aus dem Boden wachsenden Flammen schlugen einen Halbkreis und holten etwas aus dem Dunkel hervor.
Das war er – Baphomet, und er sprach seine nächsten Worte mit voller Überzeugungskraft.
»Willkommen im Fegefeuer, Geisterjäger!«
***
Hatte er gelogen?
Nein, sicherlich nicht. Carol Maynard und ich befanden uns im Zentrum des Fegefeuers, an einem Ort zwischen den Welten, vielleicht im Vorhof der Hölle, wo er regierte.
Ich starrte ihn an.
Es war Vincent van Akkeren. Er sah so aus, wie ich ihn auf seiner Yacht kennengelernt hatte.
Dunkel, düster, mit einem etwas kalkigen Gesicht, über das die Schatten des Feuers huschten. Aus seiner Stirn wuchsen zwei gewaltige Hörner. Er hockte auf einem Thron aus Stein, und er hatte den Kreuzsitz eingenommen, so daß er mich an Buddha erinnerte.
In seinen Augen leuchtete ein wildes Fieber, und zwischen den Enden der Hörner zuckten kleine magische Lichter.
Carol hielt sich an mich. »Ja, Sinclair, das ist er. So hat er in dem Film ausgesehen…«
Van Akkeren lachte. »Gut beobachtet, wirklich gut. Ja, ich spiele in meinen Filmen selbst mit, das hatte ich dir nicht gesagt, Geisterjäger. Tut mir leid, daß ich es vergaß, aberunser Zusammentreffen endete sehr plötzlich. Das soll nun aber nicht mehr geschehen, wenn es nach mir geht. Sie verstehen sicherlich.«
»Ja, ich begreife Sie.«
»Das ist schön, sogar sehr schön. Ich hatte Ihnen ja versprochen, daß wir uns wiedersehen, und ich freue mich darüber, daß es so plötzlich geschah. Diesmal wartest du vergeblich auf Unterstützung, John Sinclair. Im Gegenteil, du hast es nicht nur mit einem, sondern gleich mit drei Gegnern zu tun. Wenn du mir nicht glaubst, frage deine Begleiterin, die ja Filme von mir gesehen hat.«
Je mehr ich ihn hinhielt, um so besser konnte ich ihn ablenken.
Ich dachte an mein Abenteuer in den Pyrenäen. Da hatte ich diesen Baphomet als Statue erlebt.
Hier aber lebte er. Konnte es mir gelingen, ihn zu vernichten? Er war sich seiner Sache sicher. Ich wußte, daß er stets Tricks auf Lager hatte. Besonders deutlich war dies auf seiner schwarzen Yacht geworden. Er legte seine Hände gegeneinander und wirkte so, als wollte er anfangen zu beten. Es waren widerliche, lange Finger mit dunklen Kuppen. Forschend
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