0422 - Der Kopfjäger von Manhattan
auswich, »was denken Sie sich eigentlich? Wir sind FBI-Beamte! G-men, kapiert? Wir wollen doch nichts von dem Mädchen!«
Entweder hörte er mich vor Wut nicht, oder er glaubte mir nicht. Im Nu hatte ich zwei weitere Schläge einzustecken, so daß mir nichts anderes übrigblieb, als die Fäuste hochzureißen, ihm eine Finte hinzusetzen und mit der Linken nachzustoßen. Ich erwischte ihn mittelschwer mit einem Leberhaken, der ihn in die Knie zwang.
»Jetzt ist aber Schluß!« sagte ich. »Hören Sie zu, Sie wildgewordener Jüngling! Ich bin Special Agent vom FBI, und wenn Sie sich weiter mit mir anlegen wollen, muß ich Sie festnehmen! Ist das endlich klar?«
Mit schmerzverzerrtem Gesicht starrte er zu mir herauf. Ich drehte mich um, bückte mich und hob meinen Ausweis auf. Als ich mich nach Phil umsah, schob er sich gerade durch die Leute, die Wallis und ihn eingekreist hatten. Ich sah mich nach Gayton um. Er war verschwunden.
»Komm, Phil!« rief ich.
Wir stürmten zum Ausgang. Wir sahen uns auf der Straße um. Wir stürzten zurück in den Keller und suchten sogar in der Toilette. Von Gayton war nichts zu sehen. Als wir in den Saal zurückkehrten, richteten sich alle Blicke auf uns. Langsam gingen wir zu unserem Tisch. MacLane saß leicht vorgekrümmt da. Wallis rieb sich eine Beule am linken Unterkiefer. Inzwischen war auch Walter Kern verschwunden. Die Bude mußte noch einen Ausgang haben, den wir noch nicht kannten. Wir hätten uns vorher von Smitty auch sämtliche Zu- und Ausgänge zeigen lassen müssen. Jetzt war es zu spät.
»Wenn Sie nicht den Verrückten gespielt hätten, würden wir jetzt —« knurrte ich, brach aber mitten im Satz ab und griff wütend nach dem Rest meines Bieres. Ich kippte es in einem Zug hinunter.
Plötzlich stand Abe Smitty mit hochrotem Kopf neben uns, »Sie werden am Telefon verlangt«, rief er aufgeregt. »Drüben an der Theke! Kann denn jemand wissen, daß Sie hier sind?«
»Wir haben die Rufnummer des Clubs in unserer Zentrale hinterlassen«, gab ich zu.
Tatsächlich kam der Anruf aus dem Distriktgebäude. Trotz der vorgerückten Abendstunde schien Mr. High noch in seinem Büro zu sein, denn er war selbst am Apparat.
»Hören Sie, Jerry«, sagte er schnell, »fahren Sie bitte unverzüglich die Fünfte Avenue hinauf. Zwei Häuser vor der Kreuzung mit der 65. Straße, in der neunten Etage, Apartment 938!«
»Okay, Chef«, brummte ich. »Was gibt es denn da?«
»Erinnern Sie sich, daß das Syndikat hier im Osten ins Rauschgiftgeschäft einsteigen will? Sie haben extra dafür einen Mann aus Frisco herübergeschickt, damit er hier den Vertrieb organisieren soll. Einen Mann, den wir seit Wochen schon suchen. Er heißt Carl Wellers.«
»Steckt der in dem Apartment, das Sie gerade nannten?«
»Ja. Aber er läuft uns nicht mehr davon. Er ist nämlich tot.«
***
Vier Minuten nach neun betrat Rocky Adams die große Halle des Central-Bahnhofs. Er durchquerte sie rasch, suchte in seiner Hosentasche nach einem Schlüssel und öffnete damit eines der Gepäckfächer in der schier endlosen Wand.
Er zog eine kleine, stabile Ledertasche mit Stahlrohrverstärkungen heraus, schloß sie mit einem anderen Schlüssel auf und stellte sich so, daß niemand ins Innere der Tasche blicken konnte, während er mit den Händen hineingriff.
Er nahm sechzehnhundert Dollar heraus und schob sie in die Innentasche seines Jacketts. Sorgfältig schloß er die Tasche wieder ab, steckte den Schlüssel ein und suchte sich ein Gepäckfach mit einer anderen Nummer. Er stellte die Tasche hinein, verschloß das Fach und behielt den Schlüssel in der Hand.
In der Nähe des Bahnhofs betrat er einen geräumigen Drugstore und schob sich bis zu der Kellnerin durch, die an der Theke stand und eilig Bons über Bestellungen ausschrieb.
»Da ist der Schlüssel«, sagte Adams leise und drückte ihn der rothaarigen Frau in die Hand. »Verlier ihn nicht!«
»Das sagst du mir jedesmal! Täglich einmal, Rocky. Was hast du bloß, daß du es jeden Tag in ein anderes Fach stellen mußt?«
»Eine Tasche«, erwiderte Rocky Adams wahrheitsgemäß. »Nur eine Tasche.«
»Was ist darin?«
Rocky Adams lächelte flüchtig. Er zeigte mit dem Kopf in die Richtung zum Fenster, wo vier Männer in schmutzigen Overalls saßen.
»Deine Kunden werden ungeduldig, Myrna.«
»Laß sie warten«, schnaufte die Frau geringschätzig. »Ich kann nicht hexen, und ich bin seit neun Stunden pausenlos auf den Beinen. Rocky, sag mir, was in
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