0422 - Der Kopfjäger von Manhattan
der Tasche ist! Ich mache mir Sorgen.«
»Das brauchst du nicht, Myrna. Denk dran, was wir abgemacht haben. Wenn ich mal einen Tag nicht komme, läufst du schnell ‘rüber und stellst die Tasche in ein anderes Fach. Wenn ich eine ganze Woche lang nicht gekommen bin, nimmst du die Tasche an dich und versuchst, sie zu Hause mit einer Zange zu öffnen. Irgendwie wirst du sie schon aufkriegen. Was du findest, gehört dir, wenn ich mich nach einer weiteren Woche nicht gemeldet habe. Okay?« Die rothaarige Frau sah zu ihm auf. In ihren Augen schimmerte es feucht.
»Rocky«, seufzte sie. »Ich mache mir wirklich Sorgen…«
Er strich ihr rasch über die Wange. »Wir sehen uns morgen abend«, versprach er. »Ich hole dich ab, sobald du Feierabend hast. Mach's gut, Schatz! Und hör auf zu grübeln!«
Schnellen Schrittes verließ er den Drugstore. An der nächsten Ecke winkte er einem Taxi, stieg ein und sagte dem Fahrer: »Fahren Sie mich in die Fünfte bis zur Kreuzung mit der Fünfundsechzigsten!«
»Okay, Chef«, kaute der junge Fahrer zwischen unentwegt mahlenden Kiefern hervor.
Wenige Minuten später hatte Rocky Adams sein Ziel erreicht. Aber er blieb in einiger Entfernung stehen und betrachtete aus zusammengekniffenen Augen die Ansammlung von Polizeifahrzeugen mit zum Teil noch rotierenden Rotlichtern. Auf dem Gehsteig hatte sich eine große Menschenmenge angesammelt. Nach einigem Zögern schob sich Adams darauf zu und mischte sich unter die Leute. Vorsichtig drängte er sich näher an den Hauseingang heran, vor dem sich die Polizeiautos stauten. Er spitzte die Ohren und lauschte auf das Getuschel der Neugierigen. Als sich ihm durch Zufall für einen Augenblick eine Gasse öffnete, konnte er die Aufschrift auf der schwarzen Limousine lesen, die genau vor der Haustür stand: HOMICIDE SQUAD — Mordkommission.
***
»FBI«, sagte ich und ließ im Hausflur meinen Stern blitzen. »Was ist los?«
Ein uniformierter Sergeant vom nächsten Revier grüßte. Er gab einen Wink an seine Leute, und sie schoben ein paar Zivilisten — wahrscheinlich neugierige Hausbewohner — zur Seite, so daß der Weg zum Fahrstuhl frei wurde.
»Die Mordkommission ist schon oben, Sir«, raunte er uns zu. »Neunte Etage. Apartment 938, Sir.«
Wir fuhren hinauf. Unterwegs versuchte ich krampfhaft, mich an das zu erinnern, was ich je von Carl Wellers gehört hatte. Er war ein Mann . des Syndikats, der im Gebiet von San Franzisco »gearbeitet« hatte. Bis der Generalstaatsanwalt von Kalifornien über ein Gericht in Los Angeles einen Haftbefehl gegen Wellers erwirkte. Da verschwand Wellers urplötzlich aus dem Westen. Das FBI übernahm die Fahndung. Und jetzt sollte Wellers also in New York sein.
In der neunten Etage wimmelte es von Cops. Phil und ich mußten erneut unsere Ausweise zeigen, bis uns ein älterer Cop das Apartment 938 betreten ließ.
Die Einrichtung verriet, daß es hier nicht billig war. Ein schwerer, dunkler Teppich, Seidentapeten an den Wänden, eine riesige TV-Radio-Plattentruhe in einer Ecke und dicke, mit Schaumgummipolstern belegte Sitzmöbel. Nach links führten zwei Türen von dem geräumigen Wohnzimmer ab. Auch hier wimmelte es von Männern, allerdings in ziviler Kleidung.
Als wir eintraten, wandten uns die meisten flüchtig den Kopf zu. Ein kleiner drahtiger Bursche von ungefähr fünfunddreißig Jahren trat zu uns: »Was ist los? Wer sind Sie?«
Ich zeigte mit dem Daumen auf Phil, dann auf mich. »Phil Decker, Jerry Cotton. Special Agents des FBI.«
Der kleine Mann mit dem scharfgeschnittenen Gesicht grinste plötzlich: »Ah ja, ich habe das FBI anrufen lassen. Ich heiße Pete Starnoway. Lieutenant der Zweiten Mordkommission Manhattan East. .Freut mich, Sie kennenzulemen.«
Wir schüttelten ihm die Hand. Er zupfte mich am Ärmel und zog mich zu der riesigen Couch, die schräg im Raum stand.
»Da«, sagte er nur.
Wir blieben stehen. Hinter der Couch, gegen die Tür hin durch das schwere Möbelstück völlig verdeckt, lag die Gestalt eines Mannes mit einem kantigen, grobflächigen Gesicht. Es wirkte seltsam verkniffen. Schräg vor dem rechten Ohr war ein kleines schwarzes Loch im Kopf. Ob die Kugel auf der anderen Seite wieder ausgetreten war, ließ sich nicht erkennen, da der Mann auf dieser anderen Seite lag.
»Das soll ein Mann namens Carl Wellers sein«, sagte ich. »Woher wissen Sie es, Lieutenant?«
»In seiner Brieftasche waren in einem Geheimfach Papiere auf diesen Namen. Außerdem besaß er zwar noch
Weitere Kostenlose Bücher