0422 - Der Kopfjäger von Manhattan
eines Tages selbst auf dem Teppich liegen! Warum ruft er nicht einfach die Polizei und läßt sie die Dreckarbeit tun? Warum riskiert er seinen eigenen Kopf?«
Starnoway grinste -dünn. »Er sagt, Wellers hätte ihn zwar in sein Zimmer gelassen, aber plötzlich hätte Wellers gezogen. Blancher aber hatte die Hand in der Manteltasche schon am Abzug. Er schoß durch die Tasche hindurch. Und wenn Sie meine Meinung hören wollen, G-man, dann hatte er wahrscheinlich allen Grund dazu. Ein Bursche wie dieser Wellers gibt Ihnen nicht die Chance, erst zu ziehen.«
Noch bevor ich etwas erwidern konnte, ging die Flurtür auf. Zwei Cops kamen herein und führten einen Mann in einem grün-rot karierten Anzug herein. Er war etwa Mitte Vierzig, mittelgroß und ziemlich schwer.
»Entschuldigung, Sir«, sagte der erste der Cops zu .Lieutenant’ Starnoway. »Dieser Mann ist vor dem Hause umgefallen, als er sich recht aufdririglich nach den Vorfällen hier erkundigte. Wir haben seine Identität schon festgestellt. Er hat einen Führerschein auf den Namen Rocky Adams.«
Der Mann mit der Binde über dem linken Auge trug auch am Mittwoch noch die hellgraue Hose und das dunkelblaue Clubjackett mit den goldenen Knöpfen. Er verließ abends gegen neun Uhr das billige Hotel in der 101. Straße im Westen, das einmal ein hochanständiges Haus gewesen war. Es gab nicht viele Weiße hier, und die wenigen waren alte Leute: Juden aus Polen oder Rußland, dem Hexenkessel Europa entkommen, Deutsche und Letten, Litauer und ein paar Ukrainer. Die meisten waren im ersten Nachkriegs jahr in die USA gekommen, und jetzt waren sie zu alt, um noch einmal den Wohnsitz zu wechseln und neu anzufangen.
Zwischen den wenigen Weißen hatten sich die Portorikaner ausgebreitet. Viele von ihnen zogen es vor, nie einen Job zu suchen. Sie erhielten fünfunddreißig Dollar Unterstützung die Woche, und wer damit nicht auskam, der versuchte es mit illegalen Geschäften. Marihuana war noch das Harmloseste, womit gehandelt wurde.
Der Mann mit der Binde über dem linken Auge wandte sich dem Broadway zu. Auf dem Gehsteig flanierten stark parfümierte Negerinnen auf und ab. Ihre wiegenden Hüften und die einladenden Blicke verkündeten, worauf sie warteten. Aber Tom Hagerty hatte keine Zeit für bezahlte Schäferstündchen. Er war seit zwei Tagen nicht aus seinem Zimmer hinausgekommen, und jetzt trieb ihn lediglich der Hunger. Er schritt schnell aus, bog in den Broadway ein und wandte sich nach Süden. New Yorks berühmteste Straße hatte hier oben nichts zu bieten, was ihren Ruf rechtfertigte. Jener Abschnitt, der die »Große Weiße Straße« genannt wurde, lag viele Kilometer weiter im Süden.
Tom Hagerty spazierte mit gespielter Gelassenheit an Gruppen von farbigen Jugendlichen vorbei, die ihn unverhohlen anstarrten. Manche sprachen schnell aufeinander ein, wenn er sich ihnen näherte, aber er konnte nicht verstehen, was sie sagten, denn sie sprachen ein spanisch-amerikanisches Kauderwelsch.
Er war vielleicht eine Viertelstunde südwärts gegangen, und der Broadway zeigte sich allmählich in einem besseren Licht, was buchstäblich zutraf, denn auch die Reklamelampen wurden vielfältiger, bunter, größer und anspruchsvoller. Plötzlich schrak Tom aus seinen Gedanken auf, dicht neben ihm kreischten Autobremsen. Erschrocken sah er zur Seite.
Eine große hellgrüne Fordlimousine rollte langsam an der Bordsteinkante aus. Noch bevor sie ganz zum Stehen gekommen war, gingen die beiden hinteren Türen auf, und zwei breitschultrige Männer in guten Konfektionsanzügen sprangen heraus. Im Nu sah sich Tom Hagerty von ihnen in die Mitte genommen.
»Hallo, Hagerty«, sagte einer der beiden, ein untersetzter, kräftiger Bursche mit einer winzigen weißen Narbe auf dem sonnengebräunten Kinn.
Der Mann mit der Binde über dem linken Auge sah sich suchend um.
»Versüch ja nicht zu türmen«, sagte der zweite der Männer, ein kraushaariger Kerl mit einer eingedrückten Boxernase. »Bevor du fünf Schritte gemacht hättest, wären mindestens drei Kugeln in deinem Kreuz. Klar?«
Hagerty bemerkte die Ausbeulung in der Hosentasche des Kraushaarigen.
»Was wollen Sie von mir?« fragte er; Es gelang ihm nicht ganz, seiner Stimme einen natürlichen Klang zu verleihen. »Wer sind Sie überhaupt?«
»Steig erst einmal ein«, sagte der Narbige. Er hielt schon die Tür auf. »In der Karre können wir uns ganz gemütlich unterhalten.«
Hagerty zögerte. Der Kraushaarige trat dicht an
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