0423 - Eine Braut für zwei Millionen
war befohlen worden, die Christopher Street auf und ab zu fahren, und auf ein bestimmtes Zeichen zu warten. Gegen fünf Uhr überholte mich ein dunkelgrüner Plymouth. Am Steuer saß ein Mann mit einem hellen Hut und einer 22 großen dunklen Sonnenbrille. Er gab mir das vereinbarte Zeichen. Als wir an einer Ampelanlage hielten, reichte ich ihm den Karton durchs Fenster. Das war alles.«
»Können Sie den Mann beschreiben?«
»Nur flüchtig. Er trug einen Hut mit Pepita-Karo, dessen Krempe tief in die Stirn gezogen war. Die dunkle Sonnenbrille tat ein Übriges, um sein Gesicht zu verbergen. Ich würde sagen, dass er zwischen Dreißig und Vierzig war. Er hatte einen vollen Mund und ein kräftiges, fast brutales Kinn. Ich fürchte, ohne Hut und Brille werde ich ihn nicht wiedererkennen. Allerdings habe ich mir die Nummer des Wagens notiert.« Er holte einen Zettel aus der Brieftasche und überreichte ihn mir. »Können Sie damit etwas anfangen?«
»Ich will’s versuchen, obgleich ich wetten möchte, dass es sich um einen gestohlenen Wagen handelt«, sagte ich und steckte den Zettel ein, nachdem ich einen kurzen Blick darauf geworfen hatte. »Keinem Gangster würde es einfallen, sich auf so dumme Weise zu verraten.«
Horton nickte. »Jetzt wissen Sie alles«, meinte er seufzend. »Ich wollte ein Verbrechen vertuschen. Es hat mich fünftausend Dollar gekostet, und möglicherweise werden die Folgen jetzt genau das ruinieren, was ich zu schützen hoffte: den Ruf der Familie. Ich habe mich nicht auf das Unternehmen eingelassen, um die Behörde zu brüskieren oder den Gangstern entgegenzukommen. Ich wollte ganz einfach den Skandal vermeiden. Mir ging es darum, Eileens Verlobung nicht auffliegen zu lassen.«
Ich wandte mich an das Mädchen. »Wer ist Ihr Verlobter?«, erkundigte ich mich.
»Tim Nather«, sagte sie kurz. Aus der Art, wie sie den Namen nannte, war leicht zu entnehmen, dass sie in diesen Tim keineswegs rasend verliebt sein konnte.
»Einer von den Stahl-Nathers?«, erkundigte ich mich.
»Der einzige Erbe«, bestätigte Horton. Ich begriff. -Die Stahl-Nathers verdankten ihre Berühmtheit im Wesentlichen zwei Eigenschaften.
Sie besaßen die Aktien-Majorität der Nather Steel Plants und waren demzufolge ungeheuer reich. Privat verfochten sie kompromisslos die puritanische Richtung einer kleinen, aber sehr einflussreichen Sekte.
Es war nicht schwer zu erraten, wie sie auf die Nachricht reagieren würden, dass man die zukünftige Schwiegertochter halb betrunken im Schlafzimmer eines ermordeten Gangsters entdeckt hatte.
Horace Hortons Bemühungen, die peinliche Geschichte mit fünftausend Dollar aus der Welt zu schaffen, waren unter diesen Umständen begreiflich. Wer verzichtete schon gern auf einen millionenschweren Schwiegersohn? Gemessen an dem, was Nather mit in die Ehe bringen würde, nahmen sich die fünftausend Bucks wie ein Taschengeld aus.
»Eileen war ungeheuer leichtsinnig, als sie die Einladung des jungen Mannes akzeptierte«, meinte Horton. »Sie hat ihre ganze Zukunft aufs Spiel gesetzt. Ich hoffe nur, dass sich der Schaden reparieren lässt, und dass sie in Zukunft klüger vorgeht.«
»Ach, zum Teufel mit Tim! Er ist langweilig und borniert«, ließ Eileen sich vernehmen. »Soll ich seinetwegen wie eine Heilige leben? Das kann ich nicht. Ich pfeife auf ihn und seine Millionen! Was habe ich von einem Vermögen, das ich nicht anrühren darf?« Sie blickte mich an. »Die Nathers geben keinen Cent zu viel aus! Sie sind sogar dagegen, dass ein Mädchen Schmuck trägt. Ihr Geiz ist fast noch berühmter als ihr Reichtum.«
»Die Nathers sind alt«, erklärte Horton nachsichtig. »Du musst dich mit gewissen Erscheinungen des sogenannten Altersstarrsinns abfinden. Eines Tages wird Tim der ganze Betrieb gehören. Es liegt an dir, wie du deinen Mann formst und beeinflusst.«
Ich erhob mich, weil ich keine Lust verspürte, einer Auseinandersetzung beizuwohnen, die sich mit dem Für und Wider einer Verbindung zwischen Eileen Horton und Tim Nather beschäftigte.
Mich interessierten andere Dinge. Die Erpressung zum Beispiel. Stimmten die Angaben, die Horton darüber gemacht hatte? War Eileen mit der erklärten Absicht in Gibbons Wohnung gelockt worden, dem Vater die Daumenschrauben anzusetzen?
Offen blieb vor allem die Frage, in welchen Zusammenhang Gibbons Tod mit den Ereignissen gebracht werden musste. Es war nicht die einzige Frage, die sich stellte.
***
Ich verabschiedete mich von den Hortons und
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