0426 - Tod im Alligator-Sumpf
auf das Militär entwickelt zu haben.«
»Ist das nicht verständlich? Ich bin als Frau dafür geschaffen, Leben zu schaffen. Wenn ich sehe, daß jemand auch nur in der Lage ist, Leben nach Gutdünken zu zerstören, wird mir schlecht. Und Militär ist dazu da, anderes Militär zu vernichten. Aber in beiden Gruppen gibt es lebende Menschen. Und das sollte nicht sein dürfen.«
Cascal nickte.
»Hoffentlich merken sie irgendwann, daß es so wirklich nicht weitergeht«, sagte er. »Aber hoffentlich merken sie es überall auf der Welt gleichzeitig. Denn wenn nur einer noch seinen Panzer in der Garage behält, statt ihn zu zerlegen, geht das alte Elend immer wieder von vorn los. Himmel, wenn ich mir vorstelle, daß man das Geld, das die weltweite Rüstung kostet, in die Erhaltung unserer Umwelt stecken könnte… oder in die Bekämpfung von Armut und Krankheiten… was könnten wir in einer prachvollen Welt leben.«
»Wirklich?« fragte Sheila Dalton leise. Sie deutete auf die rauchenden Trümmer. »Und das hier? Das war kein Militärflugzeug. Aber ist es deshalb prachtvoll?«
»Du weißt verdammt genau, wie ich das meine«, sagte Cascal bitter und wandte sich ab.
***
»Warum tun Sie das?« fragte Maurice Cascal.
»Ich verstehe das nicht.«
Er bewegte die Hebel des Rollstuhls, in dem er saß, und lenkte ihn ein wenig hin und her, wie um sich an ihn zu gewöhnen. Vor ein paar Minuten war er gebracht worden. Professor Zamorra hatte ihn gekauft.
»Vielleicht, um wiedergutzumachen, was jemand zerstört hat, der eigentlich an unserer Seite kämpfen sollte«, sagte er und nickte Nicole Duval zu, seiner Sekretärin und Lebensgefährtin.
Sie befanden sich wieder in der kleinen Kellerwohnung im Slum-Gebiet von Baton Rouge, der Hauptstadt des amerikanischen Bundesstaates Louisiana. Durch die geöffneten Fenster drang Hitze herein. Aber die Kellerlage der Wohnung kühlte die Temperatur auf ein halbwegs erträgliches Maß. Dennoch klebte Zamorra und Nicole die Kleidung am Leib, und sie fragten sich, wie man es hier auf Dauer aushalten konnte. Aber das brachte wahrscheinlich die Gewöhnung mit sich.
Die Luft draußen war elektrisch und lud sich von Stunde zu Stunde mehr auf. Das seit Tagen erhoffte Gewitter kündigte sich endlich an.
In dieser Wohnung hatte es eine andere Art von Gewitter gegeben. [2]
Irgendwie hatte Sid Amos herausgefunden, wo Ombre, der Schatten, in Baton Rouge wohnte, und er hatte eiskalt versucht, mit der Geiselnahme von Ombres Geschwistern den Schatten unter Druck zu setzen, damit er sich freiwillig dem Rächer stellte.
Zamorra hatte ihm kräftig dazwischengefunkt. Angelique und Maurice waren jetzt außer Gefahr. Aber vorher hatte Sid Amos noch teuflisch hingelangt. Einfach nur so hatte er den Rollstuhl Maurices zerstört und diesen damit zur Hilflosigkeit verdammt.
Der etwa 27jährige Maurice war contergangeschädigt. Seine Füße befanden sich unmittelbar an den Hüften. Damit war er auf technische Hilfsmittel angewiesen, um sich fortbewegen zu können. Mit seiner hohen Intelligenz hatte er es geschafft, ein Studium zu beginnen - spät zwar, aber er war dabei, sich aus dem Slum freizuschwimmen, in den er hineingeboren worden war. Lange Zeit hatte das Geld gefehlt, ihm diese Möglichkeit zu schaffen. Das soziale Netz in einem Land, in dem die Sozialversicherungskarte wichtiger war als der Paß, war weit lückenhafter, als Zamorra es von Europa her kannte. Eine Möglichkeit, die Statistik der Sozialhilfeempfänger zu beschönigen, war, Empfänger schon nach viel zu kurzer Zeit aus der Förderung fallen zu lassen - und damit auch aus der Kartei…
Und bettelarm waren die Cascals immer gewesen.
Die Familie war eine bunte Mischung. Zamorra hatte Ombre, von dem er jetzt wußte, daß er mit bürgerlichem Namen Yves Cascal hieß, als Neger kennengelernt. Maurice dagegen war zwar schwarzhaarig, aber vom Phänotyp her eindeutig als Weißer zu erkennen. Die 16jährige Angelique, aus zweiter Ehe stammend, war dagegen eindeutig eine Kreolin.
Und sie war verteufelt hübsch.
Aber sie war auch fürchterlich respektlos. Asmodis gegenüber war sie in einer Art aufgetreten, daß ›sich dem Teufel die Hörner aufgerollt hatten‹, wie sie sich selbst ausdrückte. Sie konnte sich die magischen Vorgänge zwar noch nicht erklären und suchte nach handfesten physikalischen und logischen Lösungen, aber das hatte sie nicht daran gehindert, alte Hausmittelchen gegen ihn einzusetzen. Damit hatte sie ihm, der das
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