043 - Der Mann von Marokko
doch?«
»Vielleicht kommt er gar nicht«, meinte er hoffnungsvoll.
Aber er hatte sich kaum vom Tisch erhoben, als Ralph Hamon laut an die Tür klopfte.
»Ich bin nicht zu Hause, Joan«, sagte Lord Creith hastig.
Er verließ den Raum, und Joan ging ins Wohnzimmer, in dem Hamon wütend hin und her rannte. Er wandte sich schnell um, als sie die Tür öffnete.
»Was hat das zu bedeuten, was Lydia mir erzählt hat?« fragte er stürmisch.
Es war eine große Veränderung mit ihm vorgegangen. Er sah sonst schon wenig vorteilhaft aus, aber nun schauderte sie bei seinem Anblick. Sein Unterkiefer war vorgeschoben, und seine Augen funkelten vor Zorn.
»Sie kennen Morlake - Sie sind also Jane Smith!« Er ging auf sie zu. Und als sie nur ruhig nickte, steigerte sich seine Erregung noch mehr. »Joan, ich habe Ihnen früher schon gesagt, und ich sage es Ihnen wieder, daß Sie die einzige Frau auf der Welt sind, die zu mir paßt. Ich will Sie haben, sonst niemanden! Ich würde eher Sie und ihn töten - «
Sie zuckte mit keiner Wimper, und je verächtlicher und geringschätziger ihre Haltung ihm gegenüber war, desto begehrenswerter erschien sie ihm. Er streckte die Hände nach ihr aus, aber sie stand unbeweglich vor ihm.
»Ich kenne ein Dutzend Männer, die Sie am Kragen packen und aus dem Haus werfen würden, wenn sie nur die Hälfte von dem wüßten, was Sie eben gesagt haben.«
Ihre Stimme klang fest und sicher.
»Wenn ich falsch unterrichtet bin -« erwiderte er heiser.
»Das sind Sie. Es war ein Scherz von mir, Ihrer Schwester zu erzählen, daß ich verlobt sei. Ich konnte sie und ihr albernes Benehmen nicht mehr ertragen.«
Sie hatte die Tür aufgelassen, als sie hereinkam, und sie wußte, daß der Butler in der Diele war.
»Stephens!« rief sie.
Der Mann kam herein.
»Bitte, begleiten Sie Mr. Hamon hinaus!«
17
Colonel Carter vom Morddezernat nahm die Zigarre aus dem Mund.
»Mein lieber Welling, Sie sind romantisch, und deshalb müßte Ihnen eigentlich alles schiefgehen. Aber statt dessen sind Sie einer der erfolgreichsten Detektive.«
Julius Welling, der Chef der achten Abteilung von Scotland Yard, seufzte. Er war ein älterer, weißhaariger Mann mit melancholischen Zügen.
»Ich muß zugeben«, fuhr Carter fort, »daß Ihre phantastischen Träumereien manchmal zu den seltsamsten Enthüllungen geführt haben.«
»Wozu wird denn meine augenblickliche Kombination führen?« fragte Welling mit einem müden Lächeln.
»Damit werden wir sicher eine große Katastrophe erleben«, meinte der Colonel ernst. »Wir haben den Schwarzen gefangen - daran kann kein Zweifel bestehen. Ich wünschte nur, es hätte ihn ein anderer als Marborne gefaßt, denn ich war schon dabei, ihm den Laufpaß zu, geben. Aber das ist eben das Glück des Zufalls -ausgerechnet Marborne muß ihn bekommen. Wir haben alles Beweismaterial in Händen, das wir brauchen -abgesehen davon wurde Morlake auf frischer Tat ertappt. Einbrecherwerkzeug und eine Waffe wurden bei ihm gefunden. Außerdem haben wir in seiner Wohnung in der Bond Street gestohlenes Gut entdeckt - ein Paket Banknoten mit den Stempeln der Home-Counties-Bank -«
»Die könnte schließlich auch ich von der Home-Counties-Bank bekommen, wenn ich nur darum nachsuchte«, sagte Welling halb zu sich.
»Ein Geldkasten war in seinem Garten vergraben -« »Warum sollte er denn einen Geldkasten in seinem Garten vergraben? Das tun doch nur Amateurverbrecher.«
»Nun gut, aber wie kam dann das Geld dorthin?« fragte Carter gereizt.
Mr. Welling rieb sich nachdenklich die Nase. »Man kann es ja dorthin gebracht haben, um Beweise gegen ihn anzuhäufen. Morlakes Geschichte klingt doch sehr merkwürdig. Er sagt, daß sein Diener verunglückte, der in Blackheath wohnt. Er kommt zu dem Haus, wo er liegen soll, wird plötzlich überfallen und zu Boden geschlagen. Denken Sie doch, er wird, ohne daß er recht weiß, was geschieht, gefaßt und zu Boden geschlagen -und dabei soll er eine Pistole bei sich gehabt haben! Er will in ein Haus einbrechen und läßt seinen Wagen an der Ecke der Straße mit brennenden Lampen stehen! Und dicht dabei ist eine Nebenstraße, in der er ihn großartig hätte verstecken können. Man nimmt an, daß er von der Rückseite in das Haus eingebrochen sei. Dort liegt ein Garten, der von einer niedrigen Mauer begrenzt wird. Er hätte auf dem Rückweg leicht über die Mauer steigen können und wäre dann gleich im Freien gewesen. Aber nein, er geht durch die Haupttür auf
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