0438 - Sie wollten mich ans Messer liefern
Malone.«
Delaine war ein fortschrittlicher Unternehmer, aber in seinem eigenen Büro gab es kein Diktiergerät. Er liebte es, seiner Sekretärin persönlich zu diktieren. Lil griff sich den Stenoblock, fand sogar einen gespitzten Bleistift und machte sich auf den Weg. Sie drückte die ledergepolsterte Doppeltür hinter sich zu. Delaine rückte seine Brille auf die Stirn. Seine Hand deutete auf den Sessel vor dem Schreibtisch.
»Setzen Sie sich, bitte!« Aus einem Mahagoni-Kästchen wählte er sorgfältig eine dicke Havanna aus und suchte auf dem Tisch nach dem Zigarrenabschneider. Die Sätze flossen geläufig aus seinem Mund. Er unterbrach sich nur, um mit einem flachen Streichholz die Zigarre zu entzünden.
»Und jetzt lesen Sie bitte noch einmal vor!«
Lil starrte auf das Blatt auf ihren Knien. Es war leer.
»Bitte!« drängte Delaine. »Lesen Sie!«
»Ich…«
Delaine kam hinter seinem Schreibtisch hervor, nachdem er die Zigarre in einem riesigen Aschenbecher abgelegt hatte. Besorgt blickte er ihr über die Schulter, sah das leere Blatt und schaute seine Sekretärin jetzt erst richtig an.
»Was ist mit Ihnen? Sind Sie krank?«
»Maggie…«
»Verstehe«, sagte Mr. Delaine, obwohl er vorläufig gar nichts verstand. Er tat etwas, was er bisher nie getan hatte. Er legte seiner Sekretärin die Hand auf die Schulter. Das raubte Lil den letzten Rest von Fassung.
»Maggie macht Ihnen Sorgen, nicht wahr? Aber das kann ich mir eigentlich nicht recht vorstellen. Sie haben das netteste Kind der Welt, Mrs. Malone. Das geht wieder vorüber, glauben Sie mir. Was glauben Sie, was Archie alles anstellt! Mal muß eine Fensterscheibe dran glauben, mal steigt er über den Zaun und zertrampelt die Rosenbeete der Nachbarin. Gegen meinen Archie ist Ihre Maggie ein Engel. — Hat Maggie die große Vase vom Tisch gefegt, oder was ist eigentlich los?«
Seine Hand lag immer noch auf ihrer Schulter. Unter anderen Umständen wäre das für Lil Malone ein glücklicher Tag gewesen. Des Abends im Bett hätte sie immer noch den Druck dieser Hand gespürt. Aber heute war das alles ganz anders. Ihr Kopf sank vornüber und legte sich auf die Schreibtischplatte. Ihre Schultern zuckten schwach.
Roger Delaine wurde unruhig und zog seine Hand zurück.
»Ich… Ich wollte eigentlich Sie und Maggie heute abend einladen.« Alles lief so anders, als er es sich vorgestellt haue. »Zu mir!« setzte er hinzu, aber auch damit hinterließ er keinen Eindruck. Vom Schreibtisch her klang leises, mühsam unterdrücktes Schluchzen auf. Delaines Unruhe wich einer Bestürzung. Er trat an den Sessel heran, suchte die Frau aufzurichten und ihr Gesicht zu sehen.
»Was ist mit Maggie? Sagen Sie mir! Ist sie tot?«
Er verstand das Wort »Kidnapping«, das aus dem jetzt haltlosen Schluchzen seiner Sekretärin klang. Es gab ihm sofort seine Energie wieder.
»Erzählen Sie!« Er legte die Hand um ihre Schulter und führte Lil Malone zu der kleinen Couch, wo er sich neben sie setzte.
»Mrs. Malone«, sagte er weich, als sie ihm die Einzelheiten berichtet hatte, »es ist wohl selbstverständlich, daß ich die finanzielle Seite der Angelegenheit übernehme. Lassen Sie doch den Kopf nicht hängen! Sie sind doch sonst so ganz«, er versuchte ein schwaches Lächeln, »der Typ der tüchtigen, selbstbewußten Frau!«
Die Finger ihrer Hand, die auf seinem Arm lag, zogen sich ein wenig zusammen.
»Rufen Sie jetzt die Midtown Safety Bank an und sagen Sie Direktor Tucson… Nein, warten Sie. Ich werde es selbst tun.«
»Niemand darf etwas davon merken.« Lil Malone war am Ende mit ihren Nerven, aber die Sorge um Maggie riß sie noch einmal hoch. Sie faßte Delaines Handgelenk, und trotz ihrer Sorgen erschrak sie über diese Vertraulichkeit. Ihr Chef schien es nicht zu merken.
»Natürlich nicht. Ich werde Tucson gegenüber schon irgendeine Ausrede finden. Und natürlich lassen wir auch die Polizei aus dem Spiel. Sie werden sehen, alles wird wieder gut!«
Sie wagte ihm nicht zu sagen, daß sie das FBI bereits angerufen hatte. Sie konnte auch nicht ahnen, daß sie die beste Polizeitruppe der Welt in Alarmbereitschaft versetzt hatte.
Im Falle eines Kidnapping wird das FBI unheimlich aktiv.
***
Ich preßte den Hörer an mein Ohr. Irgendjemand wollte einen FBI-Beamten sprechen, und das war in diesem Falle leider ich. Die anderen Jungs waren fast alle unterwegs. Mein Kollege Phil Decker sortierte einen Stoß Fotos.
Im Telefon hörte ich die Stimme einer Frau. Sie
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