0438 - Sie wollten mich ans Messer liefern
sehen.
Ein gepreßtes Stöhnen hinter ihm ließ ihn ruckartig herumfahren. Seine Sekretärin schaute ihm über die Schulter. Sie hatte alles gesehen. Delaine legte die Schachtel hilflos zurück auf den Schreibtisch. Der Mann auf der anderen Straßenseite war also doch kein FBI-Agent gewesen.
Im Vorzimmer klingelte das Telefon. Lil Malone ging mit müden Schritten hinaus und hob den Hörer ab. Roger Delaine lehnte sich mit dem Rücken an den Schreibtisch und drückte auf den schwarzen Knopf, der ihm das Mithören erlaubte.
»Mrs. Malone?«
»Ja.«
»Sie haben unsere Warnung mißachtet. Eben waren zwei G-men bei Ihnen!«
»Nein! Das ist nicht wahr! Ich bin gar nicht im Büro gewesen, ich war in der Lohnbuchhaltung. Wenn da jemand war, war er bei meinem Chef.«
»So?! Haben Sie das Geld?«
»Es liegt bereit.«
»Haben Sie die Schleife und die Locke erhalten?«
»Ja!«
»Weiß sonst noch jemand davon?«
Roger Delaine schüttelte durch die offengebliebene Tür den Kopf.
»Nein. Denken Sie an Maggie! Wir rufen wieder an.«
Sie legte auf.
»Verdammt!« sagte Delaine. »Ich hätte diesen Cotton nicht zu mir ins Büro bestellen sollen. Sie überwachen das Haus. Eigentlich hätte ich das wissen müssen.«
Er trat ans Fenster und warf einen schnellen Blick hinunter. Jetzt stand ein anderer Mann drüben vor dem Coffee-Shop. Delaine wollte nach dem Hörer greifen und das FBI anrufen, aber er tat es dann doch nicht.
Roger Delaine irrte sich heute zum zweiten Mal. Jetzt stand ein Mann vom FBI auf Wache.
Roger Delaines bemächtigte sich eine schlecht zu beschreibende Unruhe. Hier ergab sich ein Problem, das sich nicht durch den Einsatz des richtigen Mannes oder der richtigen Zahl von Dollars lösen ließ. Lil Malone kämpfte wieder mit den Tränen, und er hatte nicht die Macht, sie zu trocknen.
»Lil, schreiben Sie!« Delaine sagte es routinemäßig, und er wurde sich nicht einmal der tragischen Komik bewußt, die in dieser Anordnung lag. Die Sekretärin spannte ebenso automatisch ein Blatt in die Maschine. Erwartungsvoll blickte sie auf ihren Chef.
»Wir setzen eine Anzeige in die New York Times«, erklärte er. »Wir werden das von den Kidnappern geforderte Lösegeld verdoppeln. Sie unterzeichnen mit den Anfangsbuchstaben Ihres Namens, Lil.«
Er sprach sie wieder mit ihrem Vornamen an, aber weder ihm noch ihr fiel das auf.
Sie riß das Blatt aus der Maschine.
»Sie fahren jetzt zum Verlagsgebäude der Times und geben das Inserat zur Anzeigenabteilung. Nehmen Sie meinen Wagen.«
»Lieber nicht«, sagte sie. »Sie wissen, die Gangster beobachten das Haus. Aber wenn ich jemand haben könnte, der mich fährt? Ich… Ich fühle mich nicht recht sicher!«
Delaine griff zum Telefon und ließ sich mit dem Personalbüro verbinden. Fünf Minuten später fuhr ein Oldsmobile am Pförtner vorbei und bog in die Straße ein. Lil hatte sich ein Tuch über den Kopf gebunden und duckte sich neben den Fahrer. Ein dunkler Fairlane folgte ihnen. Zwei Männer saßen darin.
Delaine ging unterdessen unruhig in seinem Büro auf und ab. Er zwang sich dazu, hinter seinem Schreibtisch Platz zu nehmen und die Unterschriftenmappe durchzusehen. Mechanisch zeichnete er die einzelnen Schreiben ab und klappte dann den Deckel der Mappe wieder zu. Seine Augen starrten auf die gegenüberliegende Wand. Hatte er recht daran getan, Lil zu raten, die Cops aus der Sache herauszuhalten? Er wußte es nicht.
Roger Delaine verwandte eine halbe Stunde darauf, sich zu überlegen, wo er die nächsten zehntausend Dollar hernehmen sollte. Nicht, daß ihm die Höhe der Summe Sorgen gemacht hätte. Er war ein reicher Mann, einer der reichsten in New York. Aber es mußten kleine Scheine sein, und wenn er es wieder über die Bank erledigen würde, hatten die G-men noch mehr Grund zum Mißtrauen. Aber morgen waren die wöchentlichen Lohnzahlungen fällig. Er würde die zehntausend von den Lohngeldern nehmen, und niemand würde es merken. Schließlich drückte man nicht jedem seiner Leute einen Tausend-Dollar-Schein in die Hand!
Als Lil Malone zurückkam, versuchte er, ihr Mut zu machen.
»Fahren Sie nach Hause«, sagte er, »und legen Sie sich zu Bett. Ich schätze, das wird Ihnen guttun!«
»Ich kann jetzt nicht«, gestand sie. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich am liebsten hierbleiben!«
Um halb fünf brachte er sie dann doch nach Hause und blieb noch eine Stunde bei ihr. Mrs. Fassnan aus der ersten Etage hatte geläutet und gefragt, ob Maggie
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