0439 - Das Folterbett
mein Gesicht wurde ebenfalls von einem Windhauch getroffen. Dieser Schein breitete sich so weit aus, dass ich meine unmittelbare Umgebung identifizieren konnte.
Die dicken Steine, aus denen die Wände bestanden, ließen darauf schließen, dass man mich in ein Verlies eingesperrt hatte. Hinzu kam der muffige Geruch, wie ich ihn aus Burgen, Schlössern und Verliesen her kannte.
Ich entdeckte auch eine hohe Holztür, durch die man mein Gefängnis betreten konnte.
Mehr sah ich nicht.
Dafür konzentrierte ich mich auf die Unterlage.
Verdammt, das war ein Bett!
Und genau dieses Wissen munterte mich auf, denn in diesem Fall drehte sich alles um ein geheimnisvolles Bett, das ich nun unfreiwillig gefunden hatte.
Mir war die Lösung des Falles praktisch präsentiert worden. Nur eben konnte ich nichts damit anfangen.
Es hatte sowieso keinen Zweck, sich mit Theorien abzugeben, die Praxis lag mir näher, und die hieß Befreiung.
Ich wollte mich bewegen, aber die Stricke über meine Brust ließen es nicht zu. Sie spannten sich hart, man konnte sie schon fast mit Stahlseilen vergleichen. Sie gaben um keinen Deut nach. Wenn ich einatmete, stemmten sich die beiden über die Brust laufenden Stricke ebenfalls dagegen.
Und noch etwas fiel mir auf. Man hatte mir das Kreuz genommen, ebenso die Beretta. Ich vermisste den vertrauten Druck der beiden Waffen. Weder auf der Brust spürte ich ihn noch an der rechten Seite, wo die Pistole steckte.
Karl Richter hatte mich reingelegt, und dies noch mit der einfachsten Methode der Welt.
Leider konnte ich das Bett nicht sehen. Ich spürte es nur unter mir. Die Matratze war weich und gleichzeitig irgendwie zäh. Wenn ich mich bewegte, hörte ich ein Knistern und Schaben, als würden Strohhalme gegeneinander reiben.
Aber das war nicht das einzige Geräusch. Da waren noch die leisen, trippelnden Schritte zu hören, die sich mit pfeifenden Lauten mischten und auch in meine Nähe kamen.
Ratten!
Das mussten sie einfach sein, denn ich kannte diese Laute ziemlich gut, weil ich mit diesen Tierchen schon oft genug zu tun gehabt hatte. Ratten sind scheu, sie gehen den Menschen normalerweise aus dem Weg und greifen auch nicht an.
Falls sie satt sind!
Haben sie aber Hunger, kennen sie kein Pardon. Sie bewegten sich schon in der Nähe meines Betts. Zahlreiche, kleine Füße marschierten über den Boden. Die Ratten liefen im Kreis, und sie schienen Verstärkung bekommen zu haben.
Schlecht für mich…
Ich lag weiterhin unbeweglich. Eigentlich hätte ich mich gedanklich mit dem Fall und diesem Karl Richter beschäftigen wollen, doch die Laufgeräusche der Ratten lenkten meine Gedanken in eine andere Richtung.
Ich konnte mich auf nichts anderes konzentrieren und musste immer an die Ratten denken.
Noch blieben sie auf dem Boden. Aber sie besaßen einen sehr feinen Instinkt. Bestimmt würden sie sehr bald bemerkt haben, dass da ein Mensch lag, der sich nicht wehren konnte.
Es gibt eine Geschichte von Poe, in der auch jemand in einer Lage ist, wie ich sie erlebte. Auch gefesselt, aber mit einem schwebenden scharfen Pendel über seinem Körper, das sich bei jeder Schwingung tiefer senkt.
Der Mann wurde von dem Pendel nicht erwischt. Es waren die Ratten, die ihn retteten, denn sie sprangen auf seinen Körper und nagten die Fesseln durch.
Ich würde solches Glück bestimmt nicht haben.
Die erste Ratte sprang trotzdem. Ich sah sie nicht, weil ich nicht neben das Bett auf den Boden schauen konnte, aber sie hockte plötzlich auf mir. Direkt auf dem Bauch war sie gelandet, verharrte dort, und mir trat der Schweiß noch stärker auf die Stirn. Soweit es die Fesselung zuließ, bewegte ich mich, und diese Bewegung erschreckte auch die Ratte, denn sie huschte wieder zu Boden.
Aber der Anfang war gemacht. Einer überwand stets als erster das große Hemmnis, andere würden sicherlich folgen.
Noch liefen sie um das Bett. Manchmal entfernten sie sich auch, dann wurde das Trappeln der Schritte leiser, wenn sie sich entfernten, wobei ich das Gefühl bekam, als wollten sie zuvor noch einmal Anlauf nehmen, um sich abzuschnellen.
Das geschah auch.
Gleich zwei Ratten sprangen hoch und landeten auf mir. In Höhe der Brust hockten sie sich nieder.
Ich lag regungslos. Nur mein Atem pfiff leise durch den Spalt meiner Lippen.
Auch die Ratten bewegten sich nicht. Diese graue Dunkelheit warf zwar viele Schatten in meinem Gefängnis, doch wenn ich an mir herabschaute, konnte ich die beiden Tiere sehen. Sie saßen auf
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