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0442 - Stets, wenn er die Peitsche nahm

0442 - Stets, wenn er die Peitsche nahm

Titel: 0442 - Stets, wenn er die Peitsche nahm Kostenlos Bücher Online Lesen
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Canzello.
    Eine Tür öffnete sich. Liza wandte rasch den Kopf und sah einen älteren Mann über die Schwelle treten. Er schloß die Tür ein wenig umständlich. Fast sah es so aus, als wollte er Zeit gewinnen. Als er auf Liza zuging, hatte sein Gang etwas Schleppendes, aber auch etwas Bedrohliches. Liza fröstelte. Sie spürte, daß die Furcht wiederkehrte.
    Der Mann war etwa fünfundsechzig Jahre alt. Er hatte ein schmales hageres Gesicht, das bei flüchtiger Betrachtung fast vornehm wirkte. Erst bei genauerem Hinsehen gewahrte man die kalten dunklen Augen und den schmalen Mund, dessen Unterlippe spöttisch gekrümmt war.
    Liza straffte sich. Sie hob das Kinn und fragte: »Wollen Sie mir bitte erklären, wer Sie sind und was das alles zu bedeuten hat?«
    Der Mann blieb zwei Schritte vor ihr stehen. Er trug eineif dunkelgrauen unauffälligen Anzug mit weißem Oberhemd und blauer Krawatte. In der Krawatte steckte eine Nadel, deren Brillant erbsengroß war.
    »Nennen Sie mich Brown«, sagte er lächelnd. »Es ist zwar nicht mein richtiger Name, aber es wird die Verständigung erleichtern.«
    »Warum verschweigen Sie mir Ihren Namen?« fragte Liza.
    »Weil ich ein Verbrecher bin!« sagte er amüsiert und beobachtete die Wirkung seiner Worte mit offensichtlicher Genugtuung.
    Liza schluckte. »Was habe ich damit zu tun?« fragte sie, obwohl sie sich vor der Antwort fürchtete.
    »Eine ganze Menge«, meinte der Mann und machte eine einladende Bewegung. »Wollen Sie sich nicht setzen?« Liza wollte zunächst ablehnen, aber sie fühlte sich so schwach und elend, daß sie nach kurzem Zögern in einem der komfortablen Sessel Platz nahm. Der Mann setzte sich ihr gegenüber. Er musterte sie aufmerksam und mit distanziert wirkender Freundlichkeit. Es war die gleiche Anteilnahme, die ein Schmetterlingssammler einem schönen Falter widmet, den er Sekunden später aufzuspießen und zu präparieren gedenkt.
    »Die Wahrheit ist, daß wir uns für Ihre Millionen interessieren«, sagte er.
    Liza starrte dem Mann in die Augen. Ein paar Sekunden lang wußte sie nicht, ob sie schockiert oder erleichtert sein sollte. Saß ihr ein Verrückter gegenüber, oder war sie das Opfer einer Verwechslung geworden? Sie entschied sich nach kurzem Nachdenken für das letztere. »Auf meinem Sparbuch befinden sich genau dreihundertsiebzehn Dollar«, stellte sie fest. »Mehr besitze ich nicht.«
    »Dreihundertsiebzehn Dollar«, nickte der Mann. Er hatte eine dunkle, leicht knarrige Stimme. Sie war nicht einmal unangenehm. »Ich weiß.«
    »Sie wissen also Bescheid! Was soll dieser Unsinn«, sagte der Mann. »Das Geld wartet auf Sie.« Er lächelte. »Auf uns«, korrigierte er. »Sie sollen es erben.«
    »Von wem?«
    »Von Ihrem Onkel Fred.«
    »Ich habe keinen Onkel!«
    »O doch — er war der Bruder Ihrer Mutter«, sagte der Mann. »Fred Rancher war sein Name.«
    Liza legte die Stirn in Falten. »Davon müßte ich doch etwas wissen!«
    »Er war das schwarze Schaf in der Familie. Vielleicht hat man deshalb nie über ihn gesprochen«, vermutete der Mann.
    »Weshalb hätte er mich zu seiner Erbin einsetzen sollen?« fragte Liza.
    »Er war Ihr Taufpate. Sie verloren den Vater sehr früh, Im Alter von vier Jahren. Ihrer Mutter ging es nicht gerade rosig. Sie wandte sich an Onkel Fred — aber der hatte damals seine eigenen Sorgen. Er war dabei, sich eine Existenz 'aufzubauen und rückte keinen Dollar heraus. Es kam zum Bruch zwischen Ihrer Mutter und Ihrem Onkel. Er muß zeitlebens ein strebsamer Mann gewesen sein, dessen einziges Vergnügen darin bestand, möglichst viele Dollar zu horten. Eine gutgehende Fabrik für Schraubenverschlüsse machte es ihm leicht, diesem Hobby zu frönen. Wie'dem auch sei — Irgendwie und irgendwo in seinem Gewissen muß ihn sein Versagen Ihnen und Ihrer Mutter gegenüber geplagt haben. Da er nicht verheiratet war und keine Verwandten mehr hatte außer Ihnen, setzte er Sie zu seiner Universalerbin ein.«
    »Wie kommt es, daß ich davon nichts weiß?«
    »Die Prozedur ist etwas umständlich«, erläuterte der Mann. »Aber ich bin darüber informiert, daß der Testamentsvollstrecker Sie morgen aufsuchen will.«
    »Er wird zu mir in die Wohnung kommen?« fragte Liza. Sie war wie betäubt. Sie sollte die Millionen eines ihr völlig Unbekannten erben? Wieder glaubte sie zu träumen.
    Aber das hier war kein Traum, es war die rauhe Wirklichkeit.
    »Ja — und er wird Sie natürlich dort antreffen«, nickte der Mann. »Sie werden sich

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