0449 - Das Schreckgespenst
mit, Florence. Ja, das glaube ich.«
»Er ist Psychologe.«
»Ich weiß.«
Florence wurde still. Auch ich redete nicht mehr, da ich mich gedanklich mit einer Befreiung aus dieser Lage beschäftigte. Es war ein Irrsinn. Da hockte ich in einem elegant eingerichteten Salon und wartete auf mein Ende!
Man hatte mich schon in Verliese und Kerker gesperrt, ich kannte Folterkammern von innen, man hatte alles an mir ausprobiert und versucht, und trotzdem empfand ich in dieser Umgebung eine stärkere Bedrückung. Das Grauen würde erscheinen und gerade diese alltägliche Welt auf- und einreißen.
War es schon da?
Florence zuckte zusammen und schmiegte sich wie schutzsuchend in den Sessel.
»Was ist los?«
»Ich… ich weiß nicht, aber ich glaube, etwas gehört zu haben.«
»Und was?«
Sie verzog den Mund. »Hinter mir ist der Vorhang. Ich kann selbst nicht hinschauen, glaube aber, daß es von dort gekommen ist. Das klang wie ein Lachen oder Kichern, und auch einen Luftzug habe ich verspürt. Furchtbar, nicht wahr?«
Ich schaute an der Reporterin vorbei auf das von ihr angegebene Ziel, konnte aber nichts Verdächtiges erkennen. Vielleicht hatte sie sich getäuscht.
Einige Sekunden verstrichen. Wir schwiegen beide. Ich ließ den Vorhang nicht aus den Augen, weil ich mir gut vorstellen konnte, daß das Schreckgespenst dort lauerte.
Mich wunderte nur, daß Ampitius nicht erschienen war, um sich auf seine Weise von uns zu verabschieden. Vielleicht würde er unsere Leichen persönlich wegschaffen.
Ein bedrückender Gedanke…
Der Vorhang warf Falten und Schatten. Er bestand aus einem dunklen Stoff. Eine Mischung aus Braun und Rot. Etwa eine Fingerbreite über dem Boden endete er.
Und genau dort bewegte er sich auch.
Es war ein leichtes Zucken, als würde jemand hinter ihm stehen, der gegen ihn blies und die Richtung so wechselte, daß er auch zur Seite schwang.
Diese Schwingungen blieben nicht nur auf den Saum beschränkt.
Sie breiteten sich auch nach oben hin aus und erfaßten schließlich den gesamten Vorhang.
Ich war sicher. Hinter dem Stoff lauerte das Schreckgespenst!
Auch Florence Denning hatte dies erkannt. Sie atmete schneller und keuchend. »John!« Ihre Stimme klirrte. »Da… da ist tatsächlich jemand.«
»Das glaube ich auch.«
Sie lachte plötzlich schrill in ihre nächsten Worte hinein. »Haben Sie nicht etwas von Ihrem Kollegen gesagt?«
»Er hat wohl die Zeit verpaßt.«
»Vielleicht hat man ihn auch gekillt. Ich glaube nicht, daß die beiden Pfleger schon verschwunden sind.«
Flo bekam von mir keine Antwort mehr, weil ich mein gesamtes Augenmerk auf die Stelle richtete, wo der Vorhang eine Lücke zeigte.
Dort erschien es.
Zuerst war es ein Schatten, der durchaus von den sich bewegenden Falten hätte stammen können.
Das war nicht der Fall, denn in Kopfhöhe kristallisierte sich der Schatten zur Hälfte eines Ovals, und ich sah das, von dem mir auch mein Freund Bill Conolly schon berichtet hatte.
Ein Auge!
Jetzt gab es keinen Zweifel mehr.
Das Schreckgespenst war da!
***
Suko bezeichnete sich von Natur aus als Mißtrauisch. So leicht eine Aktion auch im ersten Moment wirken mußte, er blieb dennoch sehr vorsichtig.
Wie auch jetzt.
Suko hätte mit seinem Wagen bis direkt vor das Haus fahren können, er nahm es aber in Kauf, die letzten zweihundert Yards zu Fuß zu laufen und sich dabei in Deckung zu halten.
Das Haus stand relativ einsam, die Sicht auf den nächsten Nachbarn wurde durch hohe Bäume verdeckt, und bis zum Eingang konnte sich Suko im Schatten einer Mauer bewegen.
Er gab acht.
Es fiel ihm nichts Verdächtiges auf. Auch als er das Haus sah, entdeckte er auf dem Parkplatz keinen Wagen. Völlig normal, ruhig und leer lag das Gebäude vor ihm.
Aber gerade diese Ruhe empfand der Chinese als trügerisch. Sein Blick suchte die nähere Umgebung ab. Über ihm hatten die Wolken ein graues Band gebildet, vor denen sich schwarzgrün die Zweige und das Blattwerk der Bäume abmalten.
Er dachte darüber nach, welchen Eingang er benutzen sollte. Suko besaß den offiziellen Schlüssel, er konnte also durch die Eingangstür gehen, aber das Vorhaben stellte er zunächst einmal zurück, weil er sich auch die Umgebung des Hauses anschauen wollte.
Suko betrat den Garten.
An der Vorderseite war er nicht so verwildert wie hinter dem Haus. Ein gepflegter Weg, der Rasen kurz geschnitten, wohlgestutzte Bäume, und erst auf der Rückseite entdeckte er das parkähnliche Gelände und auch
Weitere Kostenlose Bücher