045 - Das Kind des mordenden Götzen
in die Morgendämmerung marschierte. Bislang war der Boden unter ihren Füßen noch fest.
Dann wurden die Gräser neben ihnen höher und saftiger. Wie dünne Gerten bogen sie sich im leichten Wind, der über die Sierra schwebte und feine Staubschleier vor sich her blies. Nach fünf Minuten sanken die Sohlen in den Pfad ein. Felisa stoppte.
»Jetzt wird es ernst«, wandte sie sich zu Patrick Morgan um. »Sagen Sie es weiter.«
Morgan tat es. Das Mädchen ging weiter. Sie schritt auf einem schmalen Pfad, der gegen die Umgebung leicht erhöht war. Im Sand neben den Büschelgräsern tat sich was. Zuerst glaubte Patrick, es wären Tiere, die die leichten Staubfontänen verursachten, doch erkannte er, daß Gase der Erde entwichen und den Sand emporschleuderten.
»Was ist das, Senhorita?« fragte er nach vorn.
Das Mädchen blieb vorsichtig stehen und balancierte aus, bevor es sich umdrehte. »Die Staubfahnen meinen Sie?«
Morgan nickte.
»Hier ist der Boden dünn wie Papier. Wir stehen auf vulkanischem Schlamm, über den der Wind der Sierra geblasen hat. Niemand weiß, wie tief dieser Schlamm ist. Und wer jemals hineinfiel, hat nichts darüber berichten können. Haben Sie einen Gegenstand bei sich, den Sie entbehren können, Señor Morgan?«
Patrick griff in die Hosentasche. Er brachte Barrys Feuerzeug zum Vorschein. »Geht das?«
»Werfen Sie es einen Meter von sich weg in den Sand.«
Patrick tat es.
Er sah, wie das Plastikfeuerzeug kurz auf der Oberfläche verharrte, in eine kleine Mulde sank, die sich sofort unter ihm bildete, und wie schließlich ein gierig schmatzender schwarzer Brei durch den goldgelben Sand leckte und das Feuerzeug verschlang. Ein Gasstrahl stob wieder hoch.
»Nun haben Sie es gesehen«, meinte Felisa Fuengeres. »So ergeht es allem, was den Sumpf berührt.« Sie wandte sich wieder um.
Patrick Morgan schluckte. Nach dieser Demonstration kam ihm ihr Unternehmen noch wahnwitziger vor.
Wie ein überdimensionaler langer Wurm kroch die Menschenschlange schweigend im Gänsemarsch über den Sumpf. In der Felswand auf der anderen Seite taten sich die dunklen Öffnungen der Höhlen auf, von denen die Lehrerin gesprochen hatte. Wenn sie weiterhin so gut vorankamen, mußten sie bald dort sein.
Felisa hielt noch mal.
»Jetzt kommt das gefährlichste Stück«, sagte sie. »Es ist nur ein paar Meter breit, aber hier kann ich mich auf die erhöhten Stellen nicht mehr verlassen. Ich muß auf Verdacht weitergehen.«
»Lassen Sie mich das, lieber machen«, bot sich Patrick an, doch das Mädchen war schon weitergegangen.
Plötzlich stieß es einen spitzen Schrei aus. Patrick sah, wie ein Fuß Felisas im Sand verschwand. Bevor er reagieren konnte, hatte das Mädchen das Gleichgewicht verloren. Es versank bis an die Hüften. Der Untergrund bewegte sich trügerisch. Er schien wie der Sand einer Sanduhr durch einen dünnen Schlund in bekannte Tiefen zu verrinnen und das Mädchen in seinem Sog mit sich zu ziehen.
Morgan warf sich zu Boden. Er versuchte mit einer Hand die ausgestreckte Rechte des Mädchens zu erreichen, doch es gelang ihm nicht.
Im Liegen riß er sich das Gewehr von den Schultern und streckte den Schaft Felisa zu.
Das Mädchen schrie nicht. Es kämpfte verbissen gegen den Schlamm, der immer gieriger nach ihr leckte.
»Nicht bewegen!« rief Morgan. »Halten Sie still!«
Das Mädchen bekam den Gewehrschaft zu fassen, doch es hatte nicht die Kraft, sich an ihm aus dem Schlamm zu ziehen.
Barry Queens hatte seine Ausrüstung einfach neben sich gestellt, ungeachtet der Tatsache, daß auch sie im gierigen Sumpf verschwinden konnte. Von hinten reichte jemand ein Seil nach vorn.
»Werfe die Knarre weg, Patrick!« keuchte er aufgeregt. »Mache dich so flach du kannst und robbe vorsichtig dem Mädchen entgegen.«
Queens bückte sich und band die Füße Morgans an das Seil. Patrick robbte vor.
Er fühlte, wie der Boden unter seiner Brust nachgab, doch dann bekam er eine Hand Felisas zu fassen. Dann die zweite. Er hielt sie fest. Morgan mußte den Kopf zur Seite wenden, weil der feine Sand ihm in die Nase und in den Mund drang. Zieh doch endlich, wollte er schreien, doch da ruckte es schon an seinen Beinen. Queens hatte das andere Ende des Seils nach hinten weitergegeben, und an die zehn Männer zogen daran.
Widerwillig gab der Sumpf seine Beute Zentimeter für Zentimeter frei. Neben den beiden Geretteten versank das Gewehr.
Der Unterkörper Felisas war schlammbedeckt, als sie wieder
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