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045 - Das verschwundene Volk

045 - Das verschwundene Volk

Titel: 045 - Das verschwundene Volk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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dich«, flüsterte sie. »Wieso kenne ich dich?«
    Die Gestalt hatte sie fast erreicht, als etwas wie mit unsichtbaren Fäusten gegen ihren Geist hämmerte. Sie brach gekrümmt vor Schmerzen in die Knie. Erinnerungsbilder drangen an die Oberfläche, so plötzlich und deutlich, als könne sie mit der Hand nach ihnen greifen. Sie sah die Gestalt, die kein Geist war, sondern ein Mann, jemanden, den sie liebte und für den sie die halbe Welt durchquert hatte.
    Aruula richtete sich auf, die Finger gegen die Schläfen gepresst.
    »Maddrax?«, sagte sie leise, dann lauter:
    »Maddrax!«
    Er machte einen weiteren Schritt auf sie zu, stand jetzt unmittelbar vor ihr. Sein staubiges Gesicht wirkte weiß und regungslos, als er die Krücken nach vorne setzte - und mit einer fließenden Bewegung durch ihren Körper glitt. Aruula schrie.
    Matt zuckte zusammen. Für einen Moment hatte er geglaubt, einen weit entfernten Schrei zu hören. Er dachte an die Frau, die ihn auf seiner Reise begleitet hatte - wie war noch gleich ihr Name? - und nun verschwunden war, so wie der Rest der Welt, die er einst gekannt hatte.
    Sie heißt Aruula, erinnerte er sich. Ich habe sie gerufen, aber sie ist nicht mehr da.
    Alles um ihn herum war vergänglich, das hatte er längst erkannt. Gebäude zerfielen zu Ruinen, Menschen zu Staub. Nur das Pueblo schien diesen Gesetzen nicht gehorchen zu wollen, denn Matt bemerkte keine Spur des Verfalls. Er fragte sich, welches Geheimnis sich hier verbarg.
    Er klemmte sich beide Krücken unter eine Schulter und nahm mit der freien Hand die Fackel aus einer Halterung. In Gedanken verfluchte er seine Verletzung, die längst wieder schmerzte und ihn dazu zwang, sich so umständlich fortzubewegen. Besonders die Leitern des Pueblos waren für einen Mann auf Krücken gefährliche Hindernisse, aber Matt war nicht bereit, sich davon abschrecken zu lassen. Im Gegenteil, die Herausforderung spornte ihn nur noch mehr dazu an, das Geheimnis des Pueblos zu ergründen.
    Er nahm den Stiel der Fackel zwischen die Zähne und zuckte zurück, als die flackernde Flamme seine Augenbrauen anzusengen drohte. Ein Teil von ihm warnte vor den möglichen Folgen eines unerwarteten Luftzugs. Matt verdrängte den Gedanken.
    Vorsichtig bewegte er sich über den unebenen Boden. Der Rauch der Fackel ließ seine Augen tränen und reizte zum Husten. Er sah seine Umgebung nur undeutlich, versuchte sich an den Zeichnungen an der Wand zu orientieren, um den Weg zurück zum Höhleneingang zu finden.
    Sein Fuß traf plötzlich auf Widerstand, verfing sich in etwas Weichem.
    Matt spuckte instinktiv die Fackel aus, als er das Gleichgewicht verlor und zur Seite fiel.
    Schwer schlug er auf und hörte, wie die Krücken neben ihm zu Boden polterten.
    Die Flamme der Fackel verlosch.
    »Shit.«
    Matt setzte sich auf und rieb seine schmerzende Schulter. Die Dunkelheit war so absolut, dass er glaubte, von ihr erdrückt zu werden.
    Was war das ?, fragte er sich, während er auf Händen und Knien durch den Gang kroch und nach der Fackel suchte. Seine Fingerspitzen berührten Stoff, Metall, dann kleine Steine und das Holz einer Krücke, bevor sie nach einer für Matt ewig währenden Zeit endlich die Fackel fanden. Erleichtert nahm er die Feuersteine aus seiner Tasche und schlug sie zusammen. Das Geräusch dröhnte überlaut in der Stille des Pueblos. Funken stoben hoch, verglühten jedoch sofort wieder. Erst im fünften Anlauf loderte eine kleine Flamme an der Fackel empor.
    Matt grinste zufrieden. »Langsam hab ich's raus«, murmelte er und hielt die Fackel hoch.
    In ihrem Licht bemerkte er einen dunklen Umriss auf dem Boden, der seinen Weg so unsanft gestoppt hatte. Die Flammen warfen lange Schatten darüber, aber trotzdem erkannte Matt sofort, worum es sich dabei handelte.
    Es war ein menschlicher Körper.
    Vorsichtig rutschte er darauf zu, erkannte mit jeder Bewegung weitere Einzelheiten. Er sah nackte Füße, eine zerschlissene graue Hose mit einem gelben Streifen, eine ebenso graue Jacke und einen verbeulten Hut, der ein Stück von der Leiche entfernt lag.
    Matt leuchtete in das Gesicht des Mannes und sah einen struppigen Bart, der die eingefallenen Wangen bedeckte. Tote blaue Augen starrten ihn an.
    Er sieht aus, als sei er gestern gestorben, dachte Matt, auch wenn er wusste, dass das nicht sein konnte.
    Denn der Tote, der vor ihm lag, trug die Uniform der Konföderierten Staaten von Amerika…
    ...aus einem Bürgerkrieg, den man vor über sechshundert Jahren

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