0451 - Drei Gräber bis Soho
den Grabstein, rutschte aber dort ab und sackte neben mir zu Boden.
Bewusstlos blieb er liegen.
Dass war noch soeben gut gegangen. Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn und wusste nun, was mich noch alles erwartete.
Einen dieser Trommler hatte ich auf der Bühne unglücklicherweise erschossen, den zweiten hatte ich hier ausschalten können, also konnten es noch vier sein, Ondekoza nicht eingerechnet.
Und es gab zahlreiche Verstecke für diese Hundesöhne. Bevor ich weiter schlich, suchte ich die nähere Umgebung ab, aber kein Trommler war zu finden.
Im Schutz des Nebels schlich ich weiter. Diesen Hangschatten sah ich nach wie vor als mein Ziel an. Um ihn zu erreichen, umging ich zahlreiche Grabsteine, schob mich an Baumstämmen vorbei, schlich durch Unterholz und ärgerte mich darüber, dass ich dort nicht lautlos schleichen konnte.
Angegriffen wurde ich nicht. Zum Glück hatte die andere Seite mit den gleichen Schwierigkeiten zu kämpfen wie ich, auch diese Typen hatten keine Radaraugen, mit denen sie den Nebel durchdringen konnten.
Der Hügel war flacher, als ich gedacht hatte. Geduckt schlich ich ihn hoch, rutschte einige Male auf dem nebelnassen Gras ab, fing mich wieder und ging weiter.
Als ich seinen Rand erreichte, legte ich mich fast flach hin. Dieser Hügel sah aus, als hätte man ihn für einen bestimmten Zweck gebaut, eine Art Opferstelle. Auf den letzten Yards hatte sich der Nebel aufgelöst, so dass die flache Kuppe aus dem Dunst hervorschaute wie ein kleines Plateau.
Da der Nebel mir nicht mehr die Sicht verwehrte, riskierte ich einen Blick zum Himmel.
Wolkenverhangen präsentierte sich die Fläche, und der Mond hing wie ein zerfaserndes helles, bleiches Abziehbild zwischen den Wolken. Sein Licht erreichte den Boden kaum, dennoch war es hell genug, um den Grabstein zu erkennen, der auf dem Hügel aus dem Boden ragte.
Ein einsamer Grabstein auf der Hügelkuppe, das musste etwas zu bedeuten haben.
Ein wenig schob ich mich höher, so dass ich über den Rand hinweg die gesamte Fläche übersehen konnte.
Auf einmal war mein Hals zu. Ich hatte das Gefühl, von einer Schnur umwickelt worden zu sein, allerdings nur sinnbildlich, denn mich hatte der Anblick einfach geschockt.
Neben dem Grabstein lag eine Frau.
Shao!
Eine tote Shao, und ich musste mich erst einmal zusammenreißen, um mich überhaupt bewegen zu können. Ich habe sie bisher nur einmal kurz auf der Bühne gesehen, wie sie von Suko weggetragen worden war. Nun aber lag sie mutterseelenallein vor mir auf dem Hügel.
Tief atmete ich ein, doch der Druck auf meiner Brust löste sich nicht. Bedroht fühlte ich mich nicht, weitere Feinde schienen nicht in der unmittelbaren Umgebung zu lauern, so dass ich es riskierte und auf sie zuging.
Ich wollte von ihr Abschied nehmen, das war ich Shao schuldig, die ich so gut gekannt hatte. Es hatte sich zwischen uns eine Beziehung aufgebaut wie zwischen Bruder und Schwester. Sie hatte mich gemocht, ich mochte sie, und jetzt lag sie tot auf dieser nebelfeuchten kalten Friedhofserde.
Mich packte das kalte Grausen, als ich mich langsam auf sie zubewegte.
Jeder Schritt wurde zur Qual. Ich wollte gleichzeitig zu ihr, aber auch wieder weg, und diesen inneren Zwiespalt musste ich erst einmal überwinden.
Der weiche Untergrund dämpfte meine Schritte so stark, dass ich sie selbst kaum hörte. Die Kehle war mir noch immer wie zugeschnürt. Beim Atmen spürte ich ein Kratzen im Hals.
Andere, ebenfalls schreckliche Erinnerungen überfielen mich, als ich mich dem Ziel näherte. Ich war innerlich aufgewühlt, das Bild der toten Shao verblasste. Ein ebenso schreckliches erschien.
Das der Karin Mallmann…
Ich sah sie liegen in ihrem blutdurchtränkten weißen Hochzeitskleid, und ich sah auch den Schwarzen Tod, wie er über ihr schwebte und seine Sense schwang, mit der er Karin getötet hatte. Wir waren nach der Trauung aus der Kirche gekommen, als der Schwarze Tod zugeschlagen und die frisch angetraute Frau des deutschen Kommissars vor unseren Augen getötet hatte.
Eine furchtbare Szene hatte sich anschließend geboten. Will war über seiner toten Frau zusammengebrochen, während der unheimliche Sensenmann triumphierte.
Auch hier näherte ich mich einer Toten.
Ich kniete mich neben sie. Der Wind fuhr über den Hügel, wehte in mein Gesicht und durch die Haare, als wollte er mich beruhigen. Ich fühlte mich sehr einsam. Die Schwärze und Weite des Himmels empfand ich als Bedrohung.
Shao hielt die
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