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046 - Penelope von der 'Polyantha'

046 - Penelope von der 'Polyantha'

Titel: 046 - Penelope von der 'Polyantha' Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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Alter von 46 Jahren. Dritte Tochter des Lord John Medway.
    Er beugte sich nieder, pflückte eine Rose und legte sie behutsam auf den Rasen, der den Grabhügel bedeckte. Dann faßte er schweigend ihren Arm und führte sie zurück.
    Erst als sie wieder in der Stadt waren, gab er ihr eine Erklärung. »Wir haben viele Jahre in dieser Stadt gelebt. Mein Vater war arm, aber er fühlte sich in dem Klima von Vigo wohl. Ich kann mich kaum auf ihn besinnen, ich war erst sechs oder sieben Jahre alt, als er starb. Meine Mutter und ich lebten noch zwölf Jahre zusammen.«
    Als sie durch die Hauptstraßen fuhren, erhob er sich, lehnte sich zum Wagen hinaus und gab dem Kutscher eine Anweisung. Die Droschke passierte eine lange, enge Straße, und auf ein Zeichen Johns hielt der Kutscher vor einem kleinen Laden.
    »Hier haben wir gewohnt.« John zeigte nach oben. »In der zweiten Etage. Die Wohnung scheint leerzustehen. Ich bin gespannt, ob der alte Gonsalez noch lebt.«
    Er trat auf den Gehsteig und schaute durch das Fenster. Dann öffnete er die Ladentür und ging hinein. Nach ein paar Minuten kam er schon wieder zurück.
    »Der alte Mann ist vor vier Jahren gestorben«, sagte er dann. Er hielt einen großen Schlüssel in der Hand. »Aber ich habe die Erlaubnis, mir das Haus anzusehen. Die Wohnung ist nicht vermietet. Der alte Gonsalez hatte meine Mutter sehr gern und schwor, die Räume nicht wieder zu vermieten, wenn wir einmal fortgehen sollten. Und er hat sein Versprechen auch gehalten.«
    Er schloß eine Seitentür des Hauses auf, und Penelope folgte ihm in einen langen, engen Gang. Dann stiegen sie eine steile, gewundene Treppe hinauf.
    »Hier sind wir.«
    Das Treppenpodest bekam durch ein kleines Fenster etwas Licht.
    »Dies war unser Speisezimmer«, erklärte er, als er eine Tür öffnete.
    Der Raum war leer und sehr staubig. Spinnweben hingen in den Ecken, und das kleine Gitter im Kamin war ganz vergraben unter Schutt und Asche. Aber die Wände waren mit Eichenholz getäfelt, und die Decke zeigte schöne Stuckarbeit.
    »Das ist maurischer Stil. Das Haus wurde von einem Kaufmann aus Malaga gebaut, der maurische Künstler herbrachte, um die Decken verzieren zu lassen.«
    Er führte sie von Zimmer zu Zimmer und machte hier und dort halt, um ihr etwas Besonderes zu zeigen, das die Erinnerung an seine Mutter in ihm wachrief.
    Es kam ihr gar nicht zum Bewußtsein, daß er bei ihr ein ziemliches Interesse für sein früheres Leben voraussetzte, denn sie interessierte sich wirklich sehr für alles.
    »Finden Sie wohl selbst hinunter?« fragte er schließlich. »Ich möchte hier noch fünf Minuten allein sein mit meinen Gedanken. Ich muß mir über gewisse Dinge klarwerden, und ich wüßte keinen Ort in der Welt, wo das besser geschehen könnte als hier.«
    Sie nickte, denn sie glaubte ihn zu verstehen. Ruhig ging sie nach unten.
    Als sie zu dem Podest der ersten Etage gekommen war und gerade den Fuß auf die nächste Treppe setzen wollte, hörte sie unten im Flur Stimmen.
    »Sie können sich die Räume ansehen. Ja, es sind wirklich hübsche Zimmer, aber im Augenblick besichtigen sie gerade ein Herr und eine Dame. Mein Vater wollte die Etage ja nicht vermieten, aber ich denke anders darüber.«
    »Sie haben vollkommen recht.«
    Penelope fuhr erschrocken zusammen, denn sie erkannte die Stimme Mr. Arthur Dorbans.
    »Wollen wir nach oben gehen?« fragte Cynthia.
    Penelope lehnte sich zurück, damit man sie von unten nicht sehen konnte. Dann rannte sie wieder die Treppe hinauf und trat atemlos in den Raum, wo John auf der Fensterbank saß. Er hatte die Hände über den Knien gefaltet und den Kopf nachdenklich gesenkt. Er sah schnell auf, als sie hereinkam.
    »Unten sind Leute - ich möchte sie nicht sehen«, rief sie atemlos.
    »Wer ist es denn?«
    »Mr. und Mrs. Dorban!«
    »Dorbans sind hier?« Er eilte zur Tür, öffnete sie und lauschte auf dem Podest. Die Dorbans kamen schon die Treppe herauf. Er winkte Penelope schweigend, und sie stiegen leise zum dritten Stock empor.
    »Kein Geräusch«, flüsterte er. »Lehnen Sie sich an die Wand.«
    Sie hörte jetzt Cynthia sprechen.
    »Aber warum sollte er ausgerechnet in dieses kleine, unansehnliche Haus kommen, Arthur?« fragte sie vorwurfsvoll. »Und wie hätte er überhaupt hierhergelangen können?«
    »Es gibt viele Gründe, die ihn dazu bestimmen könnten, und viele Wege, auf denen er hierhergelangen kann«, erwiderte Arthur. »Und ich wette um mein Leben, daß ich mich nicht irre.

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