046 - Penelope von der 'Polyantha'
an.
»Ich fürchte nur, daß er nicht an Bord ist«, sagte sie bedeutsam.
Arthur folgte ihr widerstrebend.
Cynthia hatte Mr. Orford noch nicht gesehen und war bei dem Anblick dieses liebenswürdig aussehenden Mannes etwas verwirrt. Er hatte seine Schiffsmütze über das rechte Auge in die Stirne gezogen und rauchte eine große Zigarre.
»Sind Sie der Captain?« fragte sie freundlich.
»Nein, das bin ich nicht.« Mr. Orford war es unangenehm, zu lügen. »Ich bin der Eigentümer.«
»Dann können Sie mir sogar noch besser helfen als der Captain. Dies ist mein Mann, Mr. Arthur Dorban. Wir haben allen Grund zu der Annahme, daß sich ein gewisser Herr an Bord dieses Schiffes aufhält - Ihnen ist natürlich ganz unbekannt, wer er ist.«
Sie hielt plötzlich inne. Ihre Selbstbeherrschung verließ sie einen Augenblick, denn sie hatte drüben ein junges Mädchen in einem Deckstuhl sitzen sehen, das die Besucher interessiert betrachtete.
»Mein Gott«, flüsterte Cynthia, »sieh doch hin, Arthur!«
El Slicos Gesicht verfärbte sich.
»Wir wollen machen, daß wir fortkommen«, erwiderte er leise. Er wandte sich um, aber ein stämmiger Matrose vertrat ihm den Weg, und Mr. Orfords höfliche Worte brachten den beiden zum Bewußtsein, in welcher Lage sie sich befanden.
»Ich rate Ihnen, sich ruhig zu verhalten. Ich möchte keine Schießerei hier an Bord haben, besonders nicht im Hafen einer befreundeten Nation.« Er sah Cynthia und Arthur kühl an.
»Gehen Sie durch die Tür links und steigen Sie die Treppe hinunter. Ich werde unten mit Ihnen sprechen. Wenn Sie aber irgendwelchen Spektakel machen, wird es Ihnen schlecht gehen, obgleich es mir leid täte, wenn Sie mich zu scharfen Maßnahmen zwingen sollten. Aber nun gehen Sie - bitte etwas plötzlich, schnell!« Seine Stimme war jetzt hart und drohend geworden.
Arthur Dorban war sich als erster über die Situation klar. Ohne ein Wort zu erwidern, ging er zu dem Salon.
Cynthia folgte ihm ein wenig verwirrt.
Mr. Orford schloß die Tür des Salons hinter sich und lud seine Gäste ein, Platz zu nehmen.
»Nun wollen wir uns einmal richtig aussprechen, Mr. Dorban. Sie suchen nach jemandem, und dieser Jemand ist auch an Bord. Es ist auch noch jemand anders hier, den Sie nicht erwartet haben - aber das ist ein Zufall, daß sie sich auf dem Schiff befindet.«
»Vermutlich wissen Sie, daß Sie sich der Seeräuberei schuldig machen und daß Sie -«
Mr. Orford unterbrach Arthurs Protest durch eine hochmütige Geste.
»Es ist schon sehr lange her, daß ich mich an Gesetze hielt. Ja, mein Herr, ich bin mir durchaus bewußt, daß ich im Augenblick mindestens drei Gesetze breche, aber kommt es denn darauf an?«
»Was haben Sie mit uns vor?« fragte Cynthia, die sehr blaß geworden war.
»Ich möchte Sie nur einladen, an unserer schönen Fahrt teilzunehmen. Wir sind gerade auf dem Weg zu den Südsee-Inseln.
Ich werde Ihnen sogar meine eigene Kabine geben, obwohl ich das nur sehr ungern tue. Wir sind hier auf der ›Polyantha‹ sehr gut eingerichtet, und meine Luxuskabine gefällt mir sehr gut.«
»Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, daß unser Verschwinden bemerkt werden wird«, sagte Arthur Dorban. »Ich habe die Polizei verständigt, daß ich an Bord der ›Polyantha‹ gehen würde, und der britische Vizekonsul -«
»Sie haben niemanden benachrichtigt«, erwiderte Mr. Orford höflich. »Dazu hatten Sie ja gar keine Zeit. Ihr Zug kam um elf Uhr an, und jetzt ist es zwölf. Ich habe mir das überlegt, während ich eben die Treppe herunterstieg. Es dauerte einen Tag, bis Sie nach London kamen, dann reisten Sie über Paris nach Madrid. Und diese Reise mußten Sie sogar im Flugzeug machen. Ein Zug nach Vigo geht von Madrid früh am Morgen ab. Aber der hatte keinen Anschluß. Ich kenne alle Verbindungen ganz genau. Sie haben vergeblich versucht, mich zu bluffen.«
»Was werden Sie denn mit uns tun?« fragte Cynthia.
»Sie werden in Ihrer Kabine bleiben, und wenn Sie sich ruhig verhalten, werden Sie eine prächtige Reise haben. Wenn Sie das aber nicht tun -« Er schüttelte traurig den Kopf, als ob die Folgen für ihn selbst entsetzlich wären.
In der Zwischenzeit ging John zu dem Bootsmann, der auf der Plattform des Fallreeps der ›Polyantha‹ hockte und auf die Rückkehr seiner Passagiere wartete.
»Der Herr schickt Ihnen dies«, sagte John auf spanisch. »Er bleibt bis zum Mittagessen an Bord.«
»Vielleicht kann ich noch einmal zurückkommen?« fragte der
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