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046 - Penelope von der 'Polyantha'

046 - Penelope von der 'Polyantha'

Titel: 046 - Penelope von der 'Polyantha' Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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brauchen.«
    Plötzlich kam ihr zum Bewußtsein, daß sie kein Geld bei sich hatte, und sie lachte.
    »Unglücklicherweise kennen mich die Geschäftsleute hier so wenig, daß sie mir keine Kleider auf Kredit geben werden«, sagte sie trocken.
    »Haben Sie kein Geld?« fragte er schnell. »Aber natürlich, Sie können ja unmöglich Geld haben!« Er zog eine Brieftasche heraus und entnahm ihr ein Dutzend spanische Banknoten.
    »Mr. Mills gab mir das mit, falls Sie irgend etwas brauchten.«
    Sie zögerte, bevor sie die Scheine nahm.
    »Eine von diesen Banknoten ist reichlich genug. Wieviel sind denn eigentlich tausend Pesetas wert?«
    »Roh gerechnet vierzig Pfund, und vierzig Pfund sind zweihundert Dollar. Ich werde dort an der Ecke warten, bis Sie wiederkommen. Drüben bei Manuel finden Sie die besten Kleider und alles, was Damen sonst noch nötig haben. Aber wenn Sie dieses Geschäft nicht befriedigt, haben wir noch einen anderen netten Laden um die Ecke, der Kathedrale gegenüber.«
    Es war jetzt keine Zeit, ihm zu widersprechen. Sie ging zu Manuel und machte ihre Einkäufe. Sie war erstaunt, wieviel Dinge sie kaufen mußte, und noch erstaunter, daß sie die Notwendigkeit ihrer Anschaffung erst bei ihrem Anblick erkannte.
    Sie kaufte zwei billige Kleider und verschiedene andere Sachen. Als sie wieder aus dem Laden trat, wartete John noch geduldig neben einer Droschke, die er offenbar inzwischen gemietet hatte.
    Er nahm ihr die Pakete ab und brachte sie im Wagen unter.
    »Ich fürchte, ich habe zuviel Geld ausgegeben«, begann sie, aber er schüttelte den Kopf.
    »Bobby erwartet es nicht anders - außerdem sind tausend Pesetas keine tragische Summe.« Er sah sie nachdenklich an. »Würden Sie mich auf einer kleinen Fahrt begleiten?« fragte er dann. »Ich habe nämlich einen Besuch zu machen.«
    »Sie kennen Vigo anscheinend sehr gut?«
    »Ja, ich kenne mich hier leidlich aus. Ich möchte jetzt -«, er zögerte, »zum Friedhof fahren. Haben Sie etwas dagegen, Miss Pitt?«
    »Nicht das geringste«, entgegnete sie schnell.
    Sie wunderte sich über nichts mehr. Wahrscheinlich lag einer seiner Freunde in dieser weltverlassenen Stadt begraben. Aber sicherlich hatte die ›Polyantha‹ Vigo nicht angelaufen, weil der Steward John einer sentimentalen Pflicht genügen wollte.
    Als sie durch die Straßen fuhren, zeigte er ihr verschiedene interessante Gebäude.
    »Vigo hat nicht gerade besonders viele historische Bauten. Die meisten Kathedralen in diesem Teil des Landes sind durch Erdbeben zerstört und in einem abscheulich modernen Stil wiederaufgebaut worden.«
    Er erzählte ihr auch, daß irgendwo auf dem Meeresboden im Hafen von Vigo eine große Menge Silber liege, die mehr als eine Million Pfund wert sei; vor langer Zeit habe ein englischer Admiral hier nämlich die spanische Silberflotte überrascht und die Hälfte der Schiffe versenkt, während die restlichen Schiffe gekapert wurden.
    Schließlich kamen sie zu dem Friedhof, der in den Außenbezirken der Stadt lag. Es war ein großer, verlassener viereckiger Platz mit häßlichen eisernen Kreuzen und geschmacklosen Metallkränzen; umgeben war er von einer sehr hohen Mauer.
    Ein alter Kirchhofwärter kam auf sie zu und schaute sie neugierig an. John redete ihn in fließendem Spanisch an, und der alte Mann führte sie einen schmalen Pfad entlang. Sie kamen zu einer Anlage, die von dem anderen Teil des Friedhofs durch ein Gitter abgetrennt war.
    »Dies ist der englische Kirchhof, Miss Pitt«, erklärte John. »Aber es liegen hier mehr Amerikaner als Engländer begraben.«
    Die kleine Anlage war sehr sorgfältig gehalten. Penelope sah überall Blumen. Die Kreuze und Grabsteine waren einfacher als auf dem spanischen Friedhof.
    »Wollen Sie mich bitte einen Augenblick entschuldigen«, sagte John leise. Der Ausdruck seines Gesichtes hatte sich vollkommen verändert.
    Sie wußte, daß er allein zu sein wünschte, und trat einige Schritte beiseite. Sie sah, wie er zu einem Grab ging, auf dem nur ein glatter Stein stand. Er beugte sich nieder, pflückte das vertrocknete Blatt eines Rosenstrauches ab und stand dann barhäuptig und unbeweglich am Fuß des Grabes. Er hielt den Kopf gesenkt, und sein Blick war zur Erde gerichtet.
    Plötzlich schaute er wieder auf und winkte Penelope.
    »Ich hatte eigentlich nicht die Absicht, Sie hierherzuführen«, sagte er. »Es ist das Grab meiner Mutter.«
    Sie sah auf den Stein und las:
    Mary Tyson - das nächste Wort war schon unleserlich -im

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