0460 - In der toten Stadt
bin ich mit jenem Vampirischen zusammengestoßen. Und wir haben uns miteinander vermischt. Jeder hat vom anderen etwas angenommen. Ausgerechnet ich, der nichts mehr haßt als Vampire, ist zu einem Mischwesen geworden, zu einem Menschen mit den Klauen und dem Kopf eines Fledermausvampirs.
Mein verzweifelter Schrei hallt durch die Nacht und muß bestimmt noch mehr als ein Dutzend Meilen weit deutlich zu hören sein…
Wieder frage ich mich, wie ich ausgerechnet hierher in den Wald gekommen bin. Was hat mich aus der Bahn gerissen? Woher kam dieses vampirische Ungeheuer? Und ist diese Kreatur, die einen Teil von mir übernommen haben muß, jetzt vielleicht dort herausgekommen, wo eigentlich mein Ziel ist?
Ich sehe nach oben. Dort höre ich die Laute fliegender Vampire. Ich fühle die Artverwandtschaft. Woher kommen sie? Wieder frage ich mich, wie es möglich war, daß ich mich mit einem von ihnen vermischte. Ich kann mir nicht vorstellen, daß zwei Transmitterstraßen sich berühren oder gar kreuzen. Ich traue den Ewigen eine Menge zu, aber nicht eine derartige Dummheit. Also muß etwas anderes mit Gewalt dazwischengekommen sein. Ich frage mich, ob Zamorra und den anderen etwas Ähnliches zugestoßen ist.
An einem Baumstamm gelehnt, betrachte ich immer wieder meine vierfingrigen Klauenhände und betaste meinen Kopf mit dem längnasigen Schädel. Und ich fühle, wie sich ganz schwach in mir der Drang regt, Blut zu trinken.
Ich versuche mich dagegen zu wehren, aber ich weiß nicht, ob meine Willenskraft auf Dauer stark genug dafür sein wird. Und hat sich vielleicht noch mehr in mir verändert, so daß ich mit normaler Nahrung nichts mehr anfangen kann, sondern von Blut abhängig bin wie die »normalen« Vampire?
Etwas hat sich in meinem Innern auf jeden Fall verändert: ich spüre immer deutlicher, daß ich nicht mehr ganz ich selbst bin. Etwas von mir ist verlorengegangen, und dafür schleicht sich still und heimlich etwas von dem Vampir ein. Eine Gefühlskälte, etwas Instinkthaftes, das ich verzweifelt zurückzudrängen versuche, das aber immer stärker wiederkommt.
Über meinem Standort kreisen die Vampire. Weshalb?
Ich springe den Baumstamm an. Ich laufe fast an ihm empor, bis ich endlich in mehreren Metern Höhe Äste zu fassen bekomme und mich emporhangele - mit einer körperlichen Kraft, wie ich sie nie zuvor besessen habe. Etwas von dem Vampir schlägt sich in dieser Kraft nieder.
Plötzlich bin ich oben in der Baumkrone und sehe die Vampire über mir am Morgenhimmel.
Sie streben davon, einem Berghang entgegen. Sie kreisen nicht über mir, wie ich anfangs annahm. Aber - nicht weit von mir entfernt erscheinen sie förmlich aus dem Nichts. Ich sehe, wie ein Vampir nach dem anderen aus einem dunklen Etwas herausgleitet, das frei in der Luft schwebt, vielleicht zehn Meter über dem Laubdach des Waides. Ein düsteres Nichts, ein Weltentor…?
Ich starre es überrascht an.
Ich habe in meinem Leben schon genug Weltentore gesehen. Dieses hier sieht genauso aus wie alle anderen. Und doch fühle ich, ohne es erklären zu können, daß dieses Tor anders ist. Es ist kein natürlicher Durchgang. Er muß künstlich erschaffen worden sein. Und doch fühle ich, daß nichts wirklich Künstliches ist. Mir ist, als würde dieses Weltentor - leben …! Aber was kann das für eine Lebensform sein?
Mit meinen Druiden-Kräften versuche ich nach diesem Etwas zu tasten. Zumindest die magischen Fähigkeiten habe ich nicht verloren. Ich versuche die Lebensimpulse deutlicher werden zu lassen und forsche nach Gedanken.
Doch im nächsten Moment trifft mich ein schwarzer Schock.
Eine andere Bezeichnung finde ich nicht dafür. Etwas durchrast mich wie ein elektrischer Schlag. Aufschreiend lasse ich die Äste los, an denen ich mich in der Baumkrone bisher festgehalten habe. Ich stürze. Instinktiv breite ich die Arme aus und mache Bewegungen, als wolle ich vampirische Flughäute benutzen. Doch im letzten Moment erkenne ich, daß das unmöglich ist, daß ich mich nicht mit den Flughäuten in den Ästen verkanten kann. Ich bekomme einen Querast zu fassen, glaube, mir würden die Arme durch den Ruck ausgerissen, lasse wieder los - und komme federnd auf dem Erdboden auf.
Das Etwas hat meine Tastversuche gespürt und mit aller Macht zurückgeschlagen. Ich ahne, daß ich jetzt tot wäre, wenn ich nicht über Druiden-Kräfte verfügte. Mein magisches Potential hat einen Teil der fremden Macht abgebaut und verwandelt.
Dennoch ist es
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