0461 - Ein Killer läßt die Wallstreet wackeln
Gehen nahm er einen Schluck. Dann ließ er sich mir gegenüber in den Sessel fallen. »Schießen Sie los, G-man!«
Ich angelte das Zigarettenetui aus der Tasche und hielt es ihm hin. »Gehört das Ihnen, Mr. Hover?«
Er zog die Augenbrauen hoch. »Woher haben Sie es, G-man? Ich rechnete nicht mehr damit, es wiederzufinden.«
»Es gehört also Ihnen?«
»Selbstverständlich. Ich vermisse es seit mindestens einem Jahr.«
»Haben Sie den Diebstahl gemeldet?«
»Diebstahl? Ich war nicht sicher, ob es mir durch Diebstahl abhanden gekommen war. Ich vermißte es einfach und machte mir keine Gedanken darüber, auf welche Weise es verschwunden war,« Er lächelte mich an. »Ich verliere von Zeit zu Zeit eine ganze Menge, G-man. Besonders, wenn ich einen sitzen habe.«
»Sie sind also nicht auf den Gedanken gekommen, daß Harry Cutter es Ihnen gestohlen haben könnte?«
Er biß sich auf die Unterlippe. »Aus welchem Grunde sprechen Sie von Cutter?«
»Sie haben ihn doch für einige Monate als Chauffeur beschäftigt, nicht wahr?«
Hover bewegte unbehaglich die Schultern. »Nun ja, ich war damals ein wenig übergeschnappt, verfügte über zuviel Geld und glaubte, ich könnte mir einen Fahrer leisten. Ich hatte damals einen deutschen Mercedes und hielt es einfach für stillos, diesen Wagen selbst zu fahren.« Nervös nahm er einen kräftigen Schluck.
»Ich nehme an, daß Ihr Zigarettenetui und Harry Cutter gleichzeitig verschwanden?«
»Mag sein, ich weiß es nicht mehr.« Ich beugte mich vor und fragte, ohne seinen letzten Satz zu beachten: »Warum haben Sie Cutter nicht angezeigt? Sie wußten doch, daß er das Etui genommen hatte.«
Seine Wangen röteten sich. »Ich hielt es für besser«, sagte er leise. »Ich war froh, ihn loszuwerden. Der Junge hatte sich bald als übler Bursche entpuppt, der mir eine Menge Arbeit machte. Wenn ich ihm die Polizei auf den Hals hetzte, fürchtete ich noch mehr Schwierigkeiten.«
»Hatten Sie Angst vor ihm?«
»Meinetwegen nennen Sie es so«, gab er zu. »Cutter war brutal und außerdem noch unberechenbar. Ich wollte mir von ihm wegen eines Zigarettenetuis nicht die Zähne einschlagen lassen.«
John Hover schien nicht gerade ein Held zu sein, falls er die Wahrheit sagte. Bevor ich die nächste Frage stellen konnte, wurde die Tür aufgestoßen. Ein junges Mädchen stürmte mit dem Elan eines Wirbelwindes in den Wohnraum.
»Hallo, Jonny!« rief es. »Warum gehst du nicht ans Telefon? Ich habe ein dutzendmal angerufen.«
Ihr langes blondes Haar reichte weit den Rücken hinunter. Sie beachtete mich nicht, sondern ging zielsicher auf Hover zu. Er stand auf. Sie hob die Arme, hängte sich an seinen Hals und küßte ihn.
Sie küßte ihn ziemlich lange. Höflich blickte ich aus dem Fenster. Schließlich gab sie ihren Frühsport auf, sah mich an, lächelte und fragte: »Wer ist das, Jonny?«
Hover wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Ein FBI-Beamter«, knurrte er.
»Oh, ein G-man!« Ich gewann für das Girl offensichtlich an Bedeutung. Die Blonde kam herüber und streckte mir die Hand hin. »Ich bin Alice Deville und Jonnys Verlobte. Überprüfen Sie Jonny wegen seiner Südamerika-Geschäfte?«
»Nein«, antwortete ich. »Ich versuche herauszufinden, ob Ihr Verlobter in einen Mordfall verwickelt ist.«
Sie starrte mich betroffen an. Hover warf den Kopf hoch. »Davon haben Sie bisher noch nichts gesagt.«
»Ihr ehemaliger Chauffeur Harry Cutter wurde in der vergangenen Nacht auf einem Parkplatz in Rockaway erschossen.«
Hover setzte das Glas an die Lippen, aber es war leer. Mit einer heftigen Geste stellte er es auf den Tisch. »Ich kann nicht einsehen, was mich der Tod eines Gangsters angeht, den ich zufällig für einige Wochen als Chauffeur angestellt habe.«
»Wo waren Sie in der vergangenen Nacht zwischen zwei und vier Uhr?« fragte ich kühl.
Er gab keine Antwort. »Haben Sie meine Frage nicht verstanden, Mr. Hover? Ich möchte wissen, wo Sie zwischen zwei und vier Uhr waren. Der Polizeiarzt hat festgestellt, daß Harry Cutter während dieser Zeit erschossen wurde.«
»In meiner Wohnung!« stieß er hervor.
»Allein?«
»Ja. Ich war betrunken und habe geschlafen.«
Ich beobachtete Alice Deville aus den Augenwinkeln. Ihre Wangen erröteten zusehends. »Jonny, du hast mir gesagt, daß du mit Geschäftspartnern aus Chile ausgehen müßtest«, sagte sie leise.
»Ich war mit den Jungens unterwegs. Ungefähr um zwei Uhr hatte ich genug, ließ sie in
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