0461 - Lupina gegen Mandragoro
wir da. Eingeschlossen in eine unheimliche Landschaft, in der das Grauen zu Hause war. Ich konnte nicht bis in die blattlosen Kronen schauen, entdeckte dort aber die sich bewegenden Schatten.
Wer war das?
Auch Suko wurde aufmerksam. »Als würden uns Arme zuwinken«, murmelte er.
»Ich glaube kaum, daß es ein Zuwinken ist. Die haben etwas anderes mit uns vor.«
In der Tat begannen sich die Bäume zu neigen. Gleichzeitig streckten sie die Äste vor. Sie waren teilweise sehr stark, klatschten gegeneinander und verschlangen sich knotenartig. Selbst die braunschwarz wirkenden Stämme neigten sich, und wir vernahmen plötzlich ein Rauschen, als würde Wind durch einen Blätterwald fahren.
Das war es nicht. Die einzelnen Zweige schabten und scheuerten derart gegeneinander, daß es sich wie das Rauschen der Blätter im Abendwind anhörte.
Wir taten nichts und beobachteten nur. Ich merkte, daß mir mit jeder Sekunde, die verging, unwohler wurde. Irgend jemand hielt uns da entweder zum Narren oder wollte uns eine bestimmte Botschaft vermitteln.
Es war eine Botschaft, und ich konnte sie nur als gespenstisch bezeichnen.
Die uns umgebenden Bäume neigten sich plötzlich von uns weg. Ihre Stämme drückten sich nach hinten, das Geäst machte diese Bewegungen mit, und Wege, die noch vor Sekunden versperrt gewesen waren, öffneten sich plötzlich, so daß eine Gasse entstand, durch die wir gehen konnten.
»Der will, daß wir irgendwohin kommen!« flüsterte Suko, während er die Bäume anleuchtete.
»Eine Falle.«
»Klar. Was machen wir? Sollen wir der netten Aufforderung folgen?«
Ich drehte mich um - und erschrak!
Es blieb uns nichts anderes übrig, als dorthin zu gehen, wo sich die Gasse gebildet hatte, denn einen Rückweg konnten wir uns nicht mehr erlauben.
Von uns unbemerkt hatten sich auch hinter uns die Bäume bewegt und waren so zusammengewachsen, daß sie praktisch eine Wand bildeten, die jeden Weg versperrte.
Ein zäher Dschungel hielt uns auf.
»Es geht nur vor, Suko!«
»Kreuz, Bumerang, Dämonenpeitsche«, sagte Suko. »Das sind die Waffen, die wir besitzen. Ich schätze, wir sollten damit auskommen.«
»Um einen Wald zu bekämpfen?«
»So ungefähr.«
Ich enthielt mich eines Kommentars. Suko hatte verdammt recht, es sah nicht gut aus, obwohl uns Mandragoro eine Gasse geöffnet hatte, denn der Weg war breit genug, daß wir sogar nebeneinander hergehen konnten. Wir schauten uns an.
»Das ist eine Aufforderung!« erklärte Suko. »Komm, laß uns endlich von hier verschwinden.«
Zwei Menschen schlichen wenig später durch einen toten, abgestorbenen Wald. Wir hatten uns schon länger in diesem Gebiet aufgehalten. Nie war mir die Umgebung so schaurig vorgekommen wie in diesen Minuten. Es hatte sich nichts verändert, und doch war alles anders geworden. Suko und ich kamen uns vor wie an einer langen Leine hängend.
Ich schaute hin und wieder zurück und sah genau das, was ich befürchtet hatte.
Hinter uns wuchs der Weg zu.
Als ich Suko darauf aufmerksam machte, leuchtete er die Stellen an. Sein Gesicht war starr, und auch ich bewegte mich nicht, denn was auf dem Weg geschah, sah schaurig aus.
Jeder Baum, jeder Zweig und jeder Ast befand sich in Bewegung. Da schoben sich die Arme aufeinander zu und bildeten so ein dichtes Flechtwerk, daß es für uns kein Durchkommen mehr gab.
Wir hätten schon eine Machete benutzen müssen, um uns einen Weg zu bahnen.
»Nur nach vorn, John«, sagte Suko mit etwas bitter klingender Stimme. »Da will er uns hinhaben.«
Ich- hob die Schultern. »Kannst du mir den Grund nennen?«
»Den wird uns Mandragoro schon zeigen.« Er schlug mir auf die Schulter. »Los, Alter, geh weiter.«
Und ich ging.
Sehr vorsichtig setzte ich meine Schritte, weil ich damit rechnete, daß sich der Boden in eine tückische Falle verwandeln würde. Schließlich hatten wir bei Mandragoro noch eine Rechnung offen.
Zum Glück geschah das nicht. Dafür lichtete sich der Nebel etwas. Zwar konnten wir nicht viel mehr erkennen, aber die beiden Strahlen drangen tiefer vor.
Und wir hörten etwas.
Es tat mir in den Ohren weh, als ich zum erstenmal das Geräusch vernahm.
Auch Suko blieb stehen. Wahrscheinlich wurde er so bleich, wie ich es auch war.
Das Heulen und Winseln hörte sich schaurig an, und wir konnten ihm eine Botschaft entnehmen: Suko sprach die Worte aus. »Ich habe das Gefühl, John, als würde da jemand im Sterben liegen…«
***
Im Sterben liegen, hatte er gesagt!
Verdammt,
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