0461 - Lupina gegen Mandragoro
dem Boden gestoppt worden. Und zwar von einem mächtigen Baum.
Vielleicht war er früher einmal eine gesunde Eiche gewesen. Etwas von dieser Kraft steckte auch jetzt noch in ihm, denn die starken, wenn auch kahlen Äste standen voll unter Mandragoros Kontrolle. Er hatte sie ausgestreckt und wie dickes Gewürm um den Körper der Werwölfin gedreht, die festhing und sich nicht mehr wehren konnte.
Lupina steckte in seiner Falle!
Aber der Baum war noch mehr. Er war Mandragoro!
Ich sah, wenn ich genauer hinschaute, im oberen Teil der unteren Stammhälfte ein Gesicht. Eine dreieckige Fratze, die aus Wurzeln zusammengedreht schien. Ein Knoten- und Flechtwerk, aber dennoch als Fratze zu erkennen.
So kannte ich Mandragoro!
»Mein Gott!« hauchte Suko. »Das ist er ja.«
»Sicher.«
»Und Lupina?«
Ich hob die Schultern. »Wie es aussieht, wird sie wohl kaum überleben können.«
»Falls wir ihr nicht helfen!« sagte Morgana.
»Und wie?«
Sie sprach in den Dunst. »Wir müssen versuchen, die Zweige zu zerstören. Das ist die einzige Chance. Ich werde mit ihr reden. Sie muß doch etwas sagen können.«
Keiner von uns hielt Morgana auf, als sie sich auf Lupina zubewegte. Sie setzte ihre Schritte sehr vorsichtig, ließ die Königin der Wölfe dabei nicht aus den Augen und sprach Lupina mit einer Stimme an, als wäre die Werwölfin ihre beste Freundin.
»Hörst du mich, Lupina?«
Die Königin der Wölfe blieb nicht nur stumm, auch regungslos. Keinen Ton gab sie von sich.
»Sag etwas…« Morganas Stimme zitterte und klirrte sogar bei dieser Aufforderung.
Lupina blieb stumm.
Noch hatte Morgana sie nicht erreicht. Sie brauchte nur mehr wenige Schritte, um vor Lupina stehenzubleiben. Mit einer etwas zögernd wirkenden Geste streckte sie den Arm aus.
Im kalten Licht, das ungewöhnlicherweise auch den Nebel vertrieben hatte, konnten wir genau erkennen, was sich da abspielte. Morgana mußte einen Schock erlitten haben, als sie Lupina berührte, denn hastig zog sie die Hand wieder zurück.
»Was hast du denn?« fragte Suko.
Sehr langsam drehte sich Morgana zu uns um und hob dabei ihre Schultern. »Es ist seltsam!« flüsterte sie und starrte dabei in unendliche Fernen. »Es ist so seltsam. Kalt… ja, sie ist kalt, als hätte ich Eis angefaßt. Aber trotzdem ist noch Leben in ihr, das habe ich genau gespürt. Mandragoro hat sie wehrlos gemacht. Sie… sie befindet sich jetzt in seiner Gewalt.«
»Das sehen wir«, erwiderte ich sarkastisch.
»Aber wie konnte es geschehen?«
Das fragte ich mich auch. »Bleib du mal zurück«, flüsterte ich Suko zu und näherte mich der Werwölfin.
Von Morgana wurde ich dabei beobachtet. Ihr Blick nahm einen fast panikhaften Ausdruck an, als ich das Kreuz hervorholte. Sie ging zwei Schritte vor, blieb stehen und schrie: »Nein, nicht, John Sinclair! Willst du alles zerstören!«
Ich schaute kurz zurück. »Was könnte ich da noch töten?«
»Lupina lebt!«
»Wo sind die Beweise?«
Diese etwas spöttisch gestellte Frage bekam eine gewisse Wirkung. Es war, als hätte Mandragoro die Worte vernommen, um sich anschließend zu produzieren. Durch Lupinas Körper lief ein Zucken. Das dachten Suko und auch ich, aber es war nicht so. Tatsächlich hatten sich die Zweige des Baumes bewegt, und auch die armstarken Äste blieben nicht mehr ruhig. Sie schwangen auf und ab, und das gleiche geschah mit dem Körper der Wölfin. Er blieb dabei zwar in den Fängen des Baumes. Die Angriffspunkte der Kräfte befanden sich an verschiedenen Stellen, so daß der mit Fell bedeckte und von Kleiderfetzen umklebte Körper bewegt wurde, als befände er sich auf einer Streckbank.
Lupina mußte Schmerzen erleiden, und ich warf einen Blick auf das sich im Geflecht der Zweige abmalende Gesicht Mandragoros.
Auch dort tat sich etwas. Man konnte den Eindruck haben, als wären unsichtbare Hände dabei, an den Zweigen zu ziehen. Einer - ziemlich dünn - wanderte ein Stück über den Körper der Wölfin in Richtung Hals, um sich an dieser Stelle noch fester zu drehen.
Lupina ging es dreckig.
Und Morgana geriet aus dem Häuschen. »Tu etwas, John Sinclair!« kreischte sie. »Sonst ist alles verloren. Wenn er sich Lupina geholt hat, sind wir als nächste an der Reihe!«
»Da könnte sie recht haben«, meinte Suko und hatte bereits mit der Peitsche ausgeholt. Er ging nur noch in die richtige Position und schlug dann zu.
So flink Suko auch war, Mandragoro war schneller. Er konnte die einzelnen »Arme« des Baumes
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