0465 - Heute Engel - morgen Hexe
gehört oder es gesehen?«
»Ich weiß nicht.«
»Denk nach, bitte.«
Sie hob die schmalen Schultern. »Was… was ist es genau?«
»Tut mir leid«, erwiderte ich lächelnd, »aber ich kann dir keine genaue Auskunft geben, weil das Kreuz, das ich besitze, noch von zahlreichen Geheimnissen umrankt ist. Aber ich bin sein Erbe, verstehst du? Ich bin das letzte Glied in einer sehr langen Kette. Vor mit haben andere Menschen das Kreuz besessen. Salomo auch, deshalb ist es der Königin von Saba ebenfalls nicht unbekannt gewesen.«
»So muss es sein.«
»Aber wo hat sie gelebt?« fragte ich. Dieses Thema interessierte mich plötzlich brennend. Salomo war eine historische Figur, die Königin von Saba mehr eine Legende. Manche glaubten an sie, andere wiederum nicht. Man wusste nicht einmal genau, wo ihr Reich gelegen hatte. Viele vermuteten es in dem heutigen Arabien, andere tippten auf Äthiopien. Es gab Spuren, aber sie waren wie der Wüstensand. Sehr schnell verweht.
Nur die Menschen in den entsprechenden Gebieten von Asien und Afrika flüsterten noch ihren Namen und erzählten sich die Geschichten. Bei den Karawanen war sie lebendig. Makeda, das heilige Buch der Christen in Äthiopien, erwähnte sie.
Legende, Wahrheit?
Ich forschte im Gesicht der vor mir sitzenden Frau, konnte aber keine Antwort aus den Zügen lesen. »Was kannst du mir über sie sagen?« fragte ich drängend und blickte dabei in die Runde, denn die übrigen neun Gesichter starrten uns nur an. »Bitte, was weißt du über sie? Ihr habt euch mit ihr beschäftigt. Es kann auch für mich wichtig sein.«
»Sie lebte vor langer Zeit!« flüsterte mir die Frau zu. »Vor sehr langer Zeit. Es ist jetzt fünftausend Jahre her, und man nannte sie die Stammmutter der äthiopischen Könige. In der alten Königsstadt Aksum wuchs sie auf. Unter den Trümmern dieser vom Wüstensand bedeckten Stadt wird man auch ihr Grab finden!«
Ich schüttelte heftig den Kopf. »Nein, das stimmt nicht. Das kann nicht sein. Es ist eine Lüge!«
Sie funkelte mich an. »Wie kannst du so etwas behaupten?«
»Weil ich auch etwas von der Geschichte verstehe. Die Königin von Saba kann nicht vor fünftausend Jahren gelebt haben. Allein deshalb nicht, weil sie mit dem weisen König Salomo zusammentraf, und er lebte ungefähr 950 vor Christi. Das sind fast 2000 Jahre Unterschied.« Ich hob die Hand und spreizte zwei Finger ab.
»Ich kann dir nicht glauben!«
Seufzend atmete ich aus. »Dann will ich dir etwas anderes sagen. Gehen wir mal näher auf die alte Stadt Aksum ein. Man hat Reste gefunden und sie untersucht. Durch physikalisch-chemische Methoden kann man das Alter des Gesteins bestimmen. So hat man herausgefunden, dass Aksum erst in christlicher Zeit entstanden ist, also höchstens 2000 Jahre alt sein kann. Es tut mir leid. Falls es die geheimnisvolle Königin wirklich gegeben hat, müssen wir uns woanders hin orientieren.«
»Weißt du es?«
»Ich kann es nur vermuten!«
»Dann sag es.«
»Vielleicht sollte man ihre Spur in Arabien aufnehmen. Dort stand die älteste Stadt der Welt. Sie hieß Sana und zählte damals schon über 000 Einwohner. Diese Stadt muss zum Königreich Saba gehört haben. Aber es gibt noch eine zweite Stadt, die man mit der Königin in Verbindung bringt. Marib, bekannt für seinen Tempel. Noch heute sollen dort fünf Säulen dieses Tempels zu sehen sein. Sie haben eine elliptische Form. Ihr Durchmesser beträgt 120 Meter. Dort lebte das reiche Volk der Sabäer, und sie haben einen Damm errichtet, der die Wasser des Monsuns staute.«
»Das achte Weltwunder.«
»Ja.«
Die Frau senkte den Kopf. Dabei hob sie die Schultern und flüsterte: »Du versuchst, uns durcheinander zu bringen, aber wir haben sie gespürt. Wir wissen, dass es sie gegeben hat. Sie hat gelebt, und wir werden ihre Spur aufnehmen. Vielleicht sogar an diesem Ort.« Bei den letzten Worten bewegte sie den Kopf und schaute auf das goldene, hoch vor uns aufragende Henkelkreuz, als wäre es für sie ein Orakel, das ihr endlich die Wahrheit mitteilen würde.
Den Glauben dieser Frauen an die Königin von Saba konnte ich nicht erschüttern. Ich wollte es auch nicht, denn auch mich interessierte diese geheimnisvolle Persönlichkeit, ebenso wie der König Salomo, der von ihr besucht worden war. In Jerusalem hatten die beiden sich getroffen, und die Bibel schrieb, dass die Königin von Saba nach dem Besuch wieder in ihr Reich zurückgekehrt wäre.
In welches Reich?
Diese Frage hatte
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