0468 - Der Mordgötze
kann ich es auch jetzt noch nicht so richtig glauben.«
»Diese Götzenfigur, die Patrizia Ihnen geschenkt hat… kann ich die mal sehen?« fragte Nicole.
»Sicher… meinetwegen können Sie sie sogar behalten«, sagte Yasmin. »Ich fürchte, daß ich jedesmal, wenn ich sie ansehe, an Pats Tod erinnert werde. Ich will sie nicht mehr haben. Ich verstehe jetzt nicht mehr, wieso ich sie überhaupt genommen habe. Ich glaube, Pat hatte das eher im Scherz gemeint. Aber ich bin darauf angesprungen und habe das Ding an mich genommen. Ich habe im Lauf des Tages darüber nachgedacht. Ich glaube, ich will die Figur wirklich nicht mehr haben. Nehmen Sie sie. Aber ich muß Sie warnen - das Ding ist unglaublich häßlich.«
Sie verließ das Zimmer und kam wenig später mit der halbmetergroßen Figur zurück. »Ich hatte sie schon weggetan«, sagte sie. »In eine Truhe gestopft, nach ganz unten damit ich sie möglichst nicht mehr sehen muß. Verrückt, nicht? Erst will ich die Figur unbedingt haben, und dann plötzlich möchte ich sie am liebsten wieder loswerden. Aber wieso interessieren Sie sich eigentlich ausgerechnet dafür?«
»Möglicherweise hat sie etwas mit Patrizias Tod zu tun.«
»Aber wie? Als Patrizia starb, hatte ich die Figur bereits hier! Und selbst wenn jemand der Figur wegen Pat ermordete, erklärt das nicht ihre schreckliche Todesart.«
»Ich kann Ihnen auch nichts Genaues sagen, Yasmin«, wich Nicole aus. »Wir werden mehr wissen, wenn wir diesen Götzen untersucht haben. Ich bringe sie Ihnen anschließend wieder zurück.«
Die Negerin wehrte mit beiden Händen ab. »Behalten Sie sie«, sagte sie noch einmal eindringlich. »Es ist mir egal, was sie damit anstellen. Ich bin froh, wenn ich sie los werde. Und vielleicht können Sie oder die Polizei ja tatsächlich etwas damit anfangen. Ich möchte Sie nur darum bitten, daß Sie mich auf dem Laufenden halten. Ist das fair?«
Nicole nickte. Sie wickelte die Holzstatue vorsichtig in Zeitungspapier ein, ohne sie direkt zu berühren. Es war zwar unwahrscheinlich, daß eine Art Kontaktgift daran haftete, denn dann hätten viel mehr Menschen sterben müssen, unter anderem auch der Händler, der Delorno die Skulptur verkauft hatte. Aber alles war möglich.
Als Nicole wieder im Wagen saß, überlegte sie, wo in den von ihr im Château Montagne bewohnten Zimmern dieser Maya-Götze wohl am wirkungsvollsten aufgestellt werden konnte…
***
Xotopetl freute sich. Es ging voran. Da war wieder eine Person, die sich sehr eindringlich für ihn interessierte. Auch sie konnte er mit seinen geistigen Fühlern berühren und als Lebensspenderin für sich vorbereiten. Das bedeutete aber nicht, daß der Weitgereiste die andere Frau außer acht ließ, die ihm so kritisch und negativ gegenüber stand.
Die ihn verbrennen wollte!
Er konnte sich jetzt entscheiden, wen von beiden er als nächste Lebensspenderin auswählte. Zu der Ablehnenden hatte er länger Kontakt, aber die neue Besitzerin der Figur, in der Xotopetl steckte, war nahe bei ihm.
Der Weitgereiste beschloß, zweigleisig zu arbeiten und sich erst dann zu entscheiden, wenn es soweit war.
Zunächst hatte er ja noch jemanden, deren Lebenskraft er in sich aufnehmen konnte. Die Entscheidung eilte nicht.
Aber seine Vorsicht durfte er trotzdem nicht verlieren. Denn auch die Frau, in deren Besitz die Figur jetzt übergegangen war, zeigte deutliches Mißtrauen. Xotopetl verstand nicht, warum. Offenbar hatte sich in der langen Zeit, die er nun schon unter dem Bann in der Figur zubrachte, sehr viel in der Welt geändert. Die Menschen waren mißtrauischer geworden.
Das war nicht gut.
Aber wenn der Weitgereiste aufpaßte, konnte ihm nichts mehr passieren. Dann würde er schon bald frei sein. Und sobald das eintrat, war er wieder mächtig wie einst.
Dann konnte niemand ihm mehr etwas anhaben. Denn jener, der einst den Bann über ihn sprach, konnte schon lange nicht mehr leben.
Er war sterblich gewesen; Xotopetl war es nicht.
***
Der Antiquitätenhändler entsprach dem typischen Klischeebild seines Berufsstandes. Er sah klein, dürr und vertrocknet aus. Eine riesige Hornbrille gab seinem schmal zulaufenden Gesicht das Aussehen einer großen Fliege. Der Mann bewegte sich ständig in leicht gebückter Haltung. Als Zamorra sich mit Namen vorstellte, ging der Mann sofort in Deckung und zauberte plötzlich eine großkalibrige Pistole hervor. »Verschwindet«, krächzte er zornig.
Blitzartig tauchte auch Zamorra zur Seite weg.
Weitere Kostenlose Bücher