0469 - Der brennende Inka
tausend bislang unentdeckte Spezies geben. Nur waren diese Unentdeckten auf lange Sicht zum Aussterben verurteilt, je mehr die Menschen den Wald in ihrem zerstörerischen Profitdenken vernichteten. Pech für die Wissenschaftler, die möglicherweise so manche ihnen neue Art erst gar nicht mehr kennenlernen würden, weil diese ihnen einfach wegstarb; noch größeres Pech aber für diese bedrohten Tierarten.
Die Schneise, welche die Expedition hier schlug, war dagegen ein so unbedeutender Kratzer, daß Mutter Natur ihn nicht einmal registrierte, sondern ihn einfach nur zuwachsen ließ. Den drei Männern, die momentan daran gearbeitet hatten, den Weg für die Geländewagen freizuschlagen, hatten jetzt nicht mehr so viel zu tun. Die Arbeit ging ihnen leichter von der Hand. Tendyke, der sich von seiner vorigen Schicht ausruhte, verfolgte ihr Vordringen von der Motorhaube »seines« Wagens aus, auf der er es sich gemütlich gemacht hatte, an die Frontscheibe gelehnt. Lopez und Dr. Jordan waren zu ihm gekommen. Der Expeditionsleiter reichte Tendyke einen Lederbecher mit Wasser aus einem der Frischwassertanks. Tendyke nickte ihm dankend zu und nahm einen kräftigen Schluck. Der Deutsche trug ein Netzunterhemd und roch intensiv nach der Salbe, mit der er sich zur Abwehr der ständig und überall herumschwirrenden Stechinsekten eingerieben hatte. Bis auf den Indio mit seiner speziellen Ausdünstung und bis auf Dr. deRomero hatten sie diesen Schutz alle nötig; ansonsten wären sie längst nicht nur von den durch den Schweißgeruch angelockten Biestern völlig zerstochen worden, sondern höchstwahrscheinlich bereits mit allerlei Krankheiten gesegnet, die von den Biestern übertragen wurden - unter anderem Malaria.
»Sagen Sie, Rob, wie schaffen Sie das eigentlich, daß Sie in Ihrer dicken Lederkluft nicht schwitzen?« erkundigte Jordan sich.
»Leder atmet«, sagte Tendyke unbewegt. »Außerdem bemühe ich mich, überflüssige Anstrengungen zu vermeiden.«
»So wie Azarro«, brummte der Brasilianer Lopez. »Der scheint es plötzlich gar nicht mehr eilig zu haben. Dabei müßte er jetzt doppelt und dreifach so schnell vorankommen wie bisher. Man sieht es ja bei den anderen…«
Auch Tendyke war es bereits aufgefallen, daß Julio Azarro jetzt wesentlich langsamer arbeitete als zuvor. Tendyke hatte auch das Gefühl, der Indio versuche die beiden anderen Männer mit seinem Beispiel dazu zu bringen, daß auch sie sich nicht mehr so sehr anstrengten. Dabei ging es gerade jetzt immer schneller vorwärts.
»Wir sind kurz vor dem Ziel«, sagte Tendyke ruhig. »Ich nehme an, er arbeitet darauf hin, daß wir vor Sonnenuntergang nicht mehr ankommen.«
»Sie meinen, er verzögert die Arbeiten absichtlich?« fragte Lopez stirnrunzelnd.
» Si, chico «, nickte Tendyke.
»Sie sehen Gespenster«, wehrte Dr. Jordan ab. »Sie haben etwas gegen diesen Mann, und deshalb versuchen Sie ihn ständig wegen irgendwelcher Sachen zu verdächtigen.«
Tendyke grinste. Sie sehen Gespenster , hatte der Archäologe gesagt, ohne zu ahnen, daß er damit den Nagel auf den Kopf traf. Woher sollte er auch wissen, daß Tendyke die seltsame Fähigkeit besaß, tatsächlich jene Weisheiten zu sehen, die dem menschlichen Auge normalerweise verborgen blieben und die man »Gespenster« nannte?
Tendyke leerte den Becher und stellte ihn auf der Motorhaube ab. Dann glitt er hinunter und holte eine der Fotokopien aus dem Wagen. Es war eine Detailvergrößerung, auf der Tendyke bisherige Wegstrecken eingezeichnet hatte, Zeiten, Entfernungen, kurzum alles, was wichtig war. Die markierte Linie war alles andere als gerade, sondern führte im Zickzack den Geländeformationen angepaßt auf den Zielkreis zu. Manchmal hatten sie auch besonders dichtbewachsene Waldzonen gemieden und lieber einen Umweg gemacht.
»Hier müßten wir jetzt sein«, sagte Tendyke und tippte auf die Stelle, an der sie sich seiner Berechnung nach befanden. Dr. Jordan hob die Brauen, als er die bisherigen Tagesmarkierungen mit der heute zurückgelegten Strecke verglich. Diese war ungleich länger. Tendyke zog noch ein Stück nach, das sie vorangekommen waren, seit er die letzte Markierung gesetzt hatte.
»Kaum zu glauben«, sagte der Wissenschaftler. »Irren Sie sich da auch nicht, Rob?«
Tendyke schüttelte den Kopf. Er faltete die Kopie auseinander, und jetzt sah der Expeditionsleiter, daß sie sich unmittelbar vor dem Zielkreis befanden.
»Ab hier müssen wir damit rechnen, daß wir fündig
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