0469 - Der brennende Inka
»Was? Hier? Im Dschungel konnte ich das noch verstehen, aber hier in der freien Ebene? Sie sind verrückt, Rob. Das Feuer wird wilde Tiere abschrecken.« DeRomero und der Franzose Jacques Monrouge hatten Holz zusammengeschleppt, das sie, hinter einen der Geländewagen gebunden, aus ihrer Schneise geholt hatten. Lopez setzte es routiniert in Brand, und schon bald loderten die Flammen empor.
»Trotzdem halte ich es für besser«, erklärte Tendyke. »Wozu haben Sie mich eigentlich engagiert, wenn Sie doch nicht auf meine Empfehlung reagieren? Sie haben gegen meinen erklärten Willen diesen Azarro mitgenommen, und Sie…«
»Jetzt hören Sie endlich mit Azarro auf!« fuhr Jordan ihn an. »Inzwischen wissen wir alle, daß Sie eine persönliche Abneigung gegen diesen Mann haben. Also gut, Sie sollen Ihren Willen haben. Wir stellen also auch hier wieder Wachen auf. Idiotisch, so etwas…« Ärgerlich vor sich hinbrummend, im urschwäbischsten Dialekt, den Tendyke nicht verstehen konnte, stapfte er davon.
Tendyke sah sich nach Azarro um. Der Indio stand wie eine dunkle Statue außerhalb des kleinen Lagers und sah von dort aus herüber.
Tendyke grinste ihn an und hob erst den rechten, dann den linken Daumen.
Eins zu eins , hieß das. Diese Runde geht an mich.
Aber es war alles andere als ein Spiel.
***
Tendyke hatte Azarros Verzögerungstaktik durchschaut und verhindert. Sie waren am Ziel, und dieser verdammte americano wußte das nur zu gut. Azarro hatte ursprünglich gehofft, während der Nacht einige Vorbereitungen treffen zu können. Das war jetzt nicht mehr ganz einfach. In der schmalen Dschungelschneise hätte er unauffällig verschwinden können - trotz der Wachen. Aber hier war das Gelände zu übersichtlich. Das Risiko, bemerkt zu werden, war enorm. Und Jordan hatte sich leider nicht gegen Tendyke durchsetzen können. Es gab also auch hier wieder Wachen.
Azarro wußte nur zu genau, daß sich diese Vorsichtsmaßnahmen nicht gegen wilde Tiere richtete, die sich dem großen Feuer ohnehin nicht nähern würden, und mögliche Urwaldstämme, die die Expedition angreifen könnten, gab es in diesem Gebiet auch nicht. Das wußte Azarro nur zu genau.
Er mußte es anders anstellen, wenn er die Falle vorbereiten wollte, in der die gesamte Expedition umkommen sollte. Und er hoffte, daß seine heißblütige Verehrerin in dieser Nacht etwas früher einschlief als sonst.
Er konnte ihr dabei ein wenig helfen. Er kannte Kräuter, die, auf eine bestimmte Art gemischt, die sexhungrige Dame schon bald ermüden würden. Da brauchte er sich anderweitig gar nicht mal so sehr anstrengen - und konnte seine Kraft für seine geplante nächtliche Unternehmung aufsparen…
***
Endlich war das Lager zur Ruhe gekommen. Es hatte diesmal einige Stunden länger gedauert als üblich; Mitternacht war längst vorbei. Aber allein die Vermutung, daß sie sich jetzt sehr nahe am Ziel befanden und zumindest ein Ende der elenden Plackerei des Schneisenschlagens in Sicht war, hatte die Gemüter etwas erheitert. Außerdem hatte Dr. Jordan angekündigt, daß sie auch dann mindestens einen Tag auf der Lichtung bleiben und sich von den Strapazen etwas erholen würden, falls sie hier nicht fündig wurden und bis zu der verlorenen Stadt des Brennenden noch ein weiteres Stück durch den Dschungel mußten. Hinzu kam, daß sie endlich wieder unter freiem Himmel campieren konnten statt unter einem geschlossenen Blätterdach. Eine Woche lang hatten sie nachts so gut wie keine Sterne über sich gesehen. Das war nun endlich anders.
Aber irgendwann schliefen sie alle. Bis auf den Wächter. Die erste Wache hatte Lucille Carpenter übernommen. Für die zweite hatte das Los Monrouge getroffen. Tendyke hatte darauf geachtet, daß der Indio bei der Verteilung nicht berücksichtigt wurde. Der Abenteurer blieb anfangs selbst noch wach, um mitzubekommen, ob Azarro etwas versuchte. Aber das schien nicht der Fall zu sein. Wie üblich war der Indio in Dr. deRomeros Zelt verschwunden, und was sich da an Erschöpfendem abspielte, war jedem klar. Monrouge trat seine Wache an, ohne daß etwas geschehen war, und langsam konnte sich Tendyke auch nicht mehr gegen die Müdigkeit wehren. Er schlief unruhig ein.
Monrouge wurde wenig später von Lopez abgelöst. Der Brasilianer machte es sich neben dem Lagerfeuer bequem, hielt das Gewehr schußbereit.
Er hielt dieses Aufpassen für ebenso sinnlos wie Dr. Jordan. Aber Tendyke hatte es so gewollt, und der mußte sich etwas dabei
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