0469 - Der brennende Inka
strikten Geheimhaltung unterlag, hatte es ihn nicht weiter gestört.
Der Bursche mußte gut sein, der seinen Namen immer noch nicht genannt hatte.
»Sicher«, wiederholte Tendyke. »Ich rüste sie aus. Aber ich leite sie nicht. Ich begleite sie nur. Das ist ein kleiner Unterschied.«
»Aber du bist der Mann, auf den es ankommt. Ohne dich sind die anderen nichts. Du beschaffst die Ausrüstung, und du beschaffst Genehmigungen, die sie von alleine sicher niemals bekämen. Du bist muy importante . Sehr wichtig.«
»Deshalb bist du mir also nachgeschlichen?«
Der Indio reagierte nicht darauf. Er wiederholte nur: »Du brauchst mich. Ohne mich«, fügte er dann hinzu, »findet ihr euer Ziel nicht.«
»Welches Ziel?«
»Die goldene Stadt des Brennenden, die die Weißen seit hundertfünfzig Jahren suchen und die noch niemand fand.«
Jetzt war es Tendyke, der sich beherrschen mußte, um keine Reaktion zu zeigen. Woher wußte der Indio davon? Tendyke konnte sich nicht vorstellen, daß er Verbindungen zu den Behörden hatte, die die Sondergenehmigungen ausgestellt hatten, ohne die nichts von dem möglich gewesen wäre, was die Archäologen beabsichtigten.
»Ich kann euch hinführen«, sagte der Indio. »Ich weiß, wo die Stadt des Brennenden sich befindet.« Dabei machte er die Geste des Geldzählens. »Wenn ihr mich bezahlt, führe ich euch an das Ziel ihrer Wünsche.«
Tendyke deutete auf das umgestülpte Glas. »Sieht dieses Ziel etwa ähnlich aus?« fragte er.
»Aber guter Herr!« Der Indio hob abwehrend beide Hände.
»Nenn deinen Namen oder verschwinde endlich«, sagte Tendyke schroff. »Wir brauchen keinen Führer. Ich weiß, wo die Stadt des Brennenden sich befindet. Wir benötigen deine Dienste nicht.«
Der Indio erhob sich sichtlich verdrossen. »Ich bin Julio Azarro«, sagte er. »Ihr werdet mich brauchen.«
Er verschwand…
Unter dem Tisch regte sich etwas. Ein großer grauer Wolf kroch darunter hervor. Er lehnte den kantigen Schädel an Tendykes Oberschenkel.
Ich konnte seine Gedanken nicht lesen , teilte er dem Abenteurer lautlos mit.
***
Am nächsten Morgen war der Indio wieder da. Tendyke blieb im Eingang des Speisesaals stehen, über den das zur Oberklasse gehörende Hotel verfügte - in Häusern geringerer Kategorien durfte man ihn erst gar nicht einquartieren, wenn man sicher sein wollte, daß man das Bett nicht mit Wanzen, Kakerlaken und anderem gegen sämtliche Insektenvertilgungsmittel resistenten Kleingetier zu teilen hatte. Aber in einem Land wie Peru, das an der untersten Armutsschwelle stand, konnte man sich als Ausländer ein Zimmer in einem der spärlich gesäten Nobelhotels nicht nur lässig leisten, sondern sogar das ganze Hotel und die halbe Stadt dazu kaufen. Für das, was die Archäologen hier bezahlten, hätten sie in den USA nicht einmal das Frühstück bekommen. Allenfalls ein mitleidiges Lächeln des Angestellten an der Rezeption.
Tendyke hatte damit gerechnet, daß Azarro wieder auftauchte. Es paßte zu seinem aufdringlichen Gebaren. Diesmal war er zum Frühstück erschienen und hatte sich direkt an die richtige Person gewandt - an Dr. Wilfried Jordan von der archäologischen Fakultät der Universität von Stuttgart. Anscheinend waren die beiden sich schon handelseinig geworden. Denn als Dr. Jordan Tendyke im Eingang sah, winkte er ihn heran und deutete dann auf Azarro: »Guten Morgen, Sir. Ich habe diesen Mann als ortskundigen Führer eingestellt. Er heißt Julio Azarro.«
»Wir kennen uns, aber wir schätzen uns nicht besonders«, sagte Tendyke ruhig, zog sich einen Stuhl zurecht und ließ sich am Tisch des Expeditionsleiters nieder. Jordan hob die Brauen. »Sagen Sie, Sir, wen oder was kennen Sie eigentlich nicht?«
Tendyke lächelte.
»Wenn man so lange und so weit in der Welt herumgekommen ist wie ich, dann kennt man viele Leute. Deshalb haben Sie mich doch überhaupt erst engagiert, oder? Wir brauchten die Expedition erst gar nicht zu beginnen, wenn ich nicht so viele Leute kennen würde. Azarro und ich sind uns gestern begegnet. Ich lehne ihn ab.«
Er verschwieg, daß der Indio ihm tagelang gefolgt war. Etwas stimmte mit dem Burschen nicht. Tendyke hatte auch die Warnung nicht vergessen, daß der Wolf Fenrir Azarros Gedanken nicht hatte lesen können.
Fenrir, der alte graue Wolf aus Sibirien, war plötzlich aufgetaucht, scheinbar völlig unmotiviert. Er besaß die Intelligenz eines Menschen und die Gabe der Telepathie. Er konnte fremde Gedanken wahrnehmen und
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