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047 - Amoklauf

047 - Amoklauf

Titel: 047 - Amoklauf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Davenport
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den Bauch fiel. Er kniete mit verzerrtem Gesicht neben ihr nieder und stieß ihr den Dolch in die Schulter.
    Laut schreiend flüchteten die Leute vor ihm. Einige beherzte junge Männer griffen nach langen Latten und versuchten, ihn zu stoppen. Sie schlugen nach seinem Gesicht, doch Richardson ließ sich nicht aufhalten. Mit tierischem Gebrüll schleuderte er die Stangen zur Seite und stach weiter um sich. Hände griffen nach ihm, doch er konnte sie abschütteln. Er entwickelte übermenschliche Kräfte. Schläge sausten auf seinen Kopf. Seine Nase zerbrach, und ein Auge schloß sich, doch er spürte keinen Schmerz, nur den Drang in seinem Innern, der ihn weitertrieb.
    Sekunden später war er allein zwischen den teilweise umgestürzten Ständen. Obst und Gemüse kullerte zwischen den Toten herum. Er richtete sich auf, ließ den Dolch fallen und griff sich ans Herz. Für wenige Augenblicke entspannte sich sein verzerrtes Gesicht, dann bäumte er sich ein letztes Mal auf und brach tot zusammen.
     

     
    Sie hat verdammt hübsche Beine, dachte ich und nippte an meinem Whisky. Die Stewardeß lächelte mir zu, und ich las die Einladung in ihren schiefergrauen Augen, doch ich reagierte nicht darauf.
    Ich war der einzige Passagier in der ersten Klasse. Das Flugzeug flog in zehntausend Meter Höhe, und in zwei Stunden würden wir Singapur erreicht haben. Ich fühlte mich müde, völlig zerschlagen und fuhr mir über die Lider.
    »Noch einen Bourbon, Mr. Stack?« fragte die hübsche Stewardeß.
    Ich sah sie an. Es würde einige Zeit dauern, bis ich mich an meinen neuen Namen gewöhnt hatte.
    »Gern«, sagte ich.
    Sie war genau der Typ, der mich normalerweise schwach werden ließ. Schulterlanges, aschblondes Haar, glatt und weich, dazu die ausdrucksvollen Augen und die Figur, die eine einzige Einladung war. Sie hieß Helen und hatte mich seit London aufmerksam umhegt. Schade, Mädchen, dachte ich. Heute nicht.
    Ich sah ihr ein wenig traurig nach und griff nach den Unterlagen, die ich neben mir liegen hatte. Gegenwärtig hieß ich Gary Stack, ein Name, der mir bei weitem nicht so gut wie mein eigener gefiel. Dorian Hunter klang in meinen Ohren viel besser. Aber in meiner Brusttasche befand sich ein britischer Paß, der auf den Namen Gary Stack lautete, und für die nächsten Tage würde ich mich daran gewöhnen müssen.
    Ich war froh gewesen, endlich aus den Staaten zurück nach London fliegen zu können, und hatte mich auf das Wiedersehen mit meinen Freunden gefreut. Doch als mich am Flughafen der Observator Inquisitor erwartete, hatte ich gewußt, daß ich nicht lange in England bleiben würde, und meine Befürchtung hatte sich bewahrheitet. Jetzt war ich auf dem Weg nach Brunei, einem winzigen Land im Norden Borneos. Ein Mann namens Harry Richardson war dort Amok gelaufen. Er hatte sechs Leute ermordet, vier verletzt und war dann plötzlich tot zusammengebrochen. Aber das Mysteriöseste war, daß seine Leiche spurlos verschwunden war. Der O. I. vermutete, daß hinter diesem Amoklauf die Dämonen steckten, und ich sollte Licht in diesen seltsamen Fall bringen. Der O. I. war mit Richardson vor Jahren einmal eng befreundet gewesen und hatte der Familie Richardson mein Kommen avisiert. Ich sollte mich als Ethnologe ausgeben, was mir nicht schwerfallen würde, da ich mich seit Jahren sehr intensiv mit Völkerkunde beschäftigt hatte.
    Ich bekam meinen Whisky, rauchte eine Zigarette und vertiefte mich weiter in die Unterlagen. Der O. I. hatte gut gearbeitet. Ich erfuhr aus den Papieren alles über Brunei. Außerdem lag noch ein Sprachführer bei. Vor Jahren hatte ich mich ziemlich intensiv mit dem Malaysischen beschäftigt. Nun frischte ich meine Kenntnisse wieder auf.
    Nach einer Stunde hatte ich vom Studieren genug. Ich lehnte mich zurück und döste vor mich hin. Ich dachte an Coco und sehnte mich nach ihr. Wie hatte ich mich auf unser Zusammensein gefreut, doch hatte ich mich nur wenige Minuten mit ihr unterhalten können.
    Die Maschine setzte zur Landung an, und ich verabschiedete mich von Helen. Mir blieb mehr als eine Stunde Zeit, bis meine Maschine nach Brunei startete. Ich saß im Terminal und hörte amüsiert zu, wie zwei jungen Engländern die Einreise verweigert wurde, weil sie zu langes Haar hatten. Es kam zu einer lautstarken Auseinandersetzung mit einigen Beamten, und schließlich gaben die beiden nach. Zwanzig Minuten später sah ich sie wieder. Sie hatten kurzgeschnittene Haare und blickten ziemlich böse drein. In

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