047 - Die letzten Tage von Riverside
von der Ostküste. Es war Matt.
»Mensch, Junge - wie gehts dir?« Simon ließ sich auf die Couch sinken und legte die Beine auf den niedrigen Tisch. Eve war mit Liz nach L.A. hineingefahren. Ihre Schwiegertochter hatte sie zum Essen eingeladen. Ihre ehemalige Schwiegertochter.
»Geht so, Dad.«
»Du hörst dich mitgenommen an.«
»Ich hab die letzten Tage mehr getrunken, als mir gut tut.«
»Und wahrscheinlich hat's nicht mal was genützt, oder? Du bist bei den Cassidys?«
Burt Cassidy war Matts engster Freund.
Seine Eltern hatten zwei Häuser weiter gewohnt, bevor sie nach San Francisco gezogen waren. Die Jungens hatten praktisch ihre Kindheit und Jugend zusammen verbracht.
Burt hatte zwei Kinder und arbeitete inzwischen als hoher Stadtbeamter in New York City.
»Ja. Ich dachte: Wer weiß, ob ich ihn je wiedersehe.«
Eine Pause entstand. Eine Bemerkung darüber, wie konfus der Komet die Leute machte, lag Simon auf der Zunge. Aber Kathleen Ashton fiel ihm ein, und er sagte stattdessen: »Vielleicht werden auch wir uns nie wieder sehen, Matt.«
»Wenn der Komet uns trifft…« Matt räusperte sich. »Und falls ich vorher zu meiner Basis nach Berlin zurückkehre, könntest du Recht haben, Dad.«
»Falls du nach Berlin zurückkehrst?«
»Sie bauen Bunker in New York City, Dad. Stell mir keine Fragen dazu, es ist streng geheim. Burt hat dafür gesorgt, dass seiner Familie fünf Plätze zugeteilt werden. Vor einer Stunde hat er mir einen davon angeboten…«
***
Mojavewüste, November 2517
Gelbrote nackte Hälse und Köpfe, schwarze Halskrausen und gelblich-rote Schnäbel, groß und sichelartig gekrümmt - für Bruchteile von Sekunden sah Matt zwei der Kondore in ihrer ganzen majestätischen Grauenhaftigkeit direkt über sich.
Eben noch zwei-, dreihundert Meter hoch, spreizten sie jetzt in noch höchstens zehn Metern Höhe die silbergrauen Schwingen und streckten ihre Klauen erdwärts.
Sie fielen regelrecht vom Himmel. Matt blieb kaum Zeit zu zielen. Die Luft, die ihre massigen Körper und ihre gut acht Meter Flügelspannweite verdrängten, wühlte das Wasser auf.
Sein Finger krümmte sich um den Abzug, der Schuss hallte über den See, das Geschoss jaulte dem ersten Geier entgegen - und sprengte ihm den Brustkorb. Gefieder, Fleisch und Blut spritzten in alle Richtungen. Der riesige Körper drehte sich um seine Querachse und bohrte sich hinter Matt und Aruula in den Schlamm des Uferwassers.
Für einen Schuss auf den zweiten Geier blieb keine Zeit. Ein Schwingenschlag fegte Matt von den Beinen. Aruula hatte sich im Wasser herumgewälzt und zugleich ihr Schwert hochgerissen. Keine Sekunde zu früh - für einen Hieb bekam sie zwar keine Gelegenheit mehr, doch der Kondor stürzte in die Klinge, die sie wie einen Speer vor der Brust senkrecht hielt.
Der Vogel begrub die Barbarin unter sich, seine Schwingen klatschten ins Wasser, sein Körper zuckte ein paar Mal und der See um ihn herum färbte sich rot.
Matt registrierte all das nur aus den Augenwinkeln. Fünf weitere Angreifer bedurften seiner Aufmerksamkeit.
Er kniete schon wieder im Gras, mit beiden Händen die Griffschalen des Drillers umklammert. Projektil um Projektil heulte den Geiern entgegen. Matt zählte die Schüsse nicht. Einer der Riesenkondore stieß einen gellenden Schrei aus, als ein Geschoss ihm die rechte Schwinge wegriss. Federn und Fleischfetzen fielen aus dem Himmel ins Gras. Knapp dreißig Meter vom Ufer entfernt schlug der Kondor im Gras auf. Matt meinte den Boden vibrieren zu fühlen.
Das verletzte Tier schrie, säbelte mit dem verbliebenen Flügel durchs Gras, stemmte sich hoch, hüpfte ein Stück in Richtung See, brach zusammen. Die anderen vier drehten ab, flogen tief über dem Gras Richtung Westen davon und schraubten sich erst viele hundert Meter entfernt wieder in den Himmel hinauf.
Matt sprang auf, rannte ins Wasser.
»Aruula!« Für einen Moment stand er hilflos vor dem nassen Gefiederberg. Der nackte Hals des Geiers verschwand im blutdurchsetzten Wasser, und die gespreizten Schwingen dümpelten auf der Wasseroberfläche hin und her. Matt packte einen der Flügel und zerrte daran. »Aruula!« Er keuchte, stemmte die Stiefel in den Morast. Mit äußerster Anstrengung gelang es ihm schließlich, den Vogelkörper von der Stelle zu bewegen.
Hinter ihm schrie der abgestürzte Kondor. So gellend und langanhaltend, dass Matt glaubte, ein Eiszapfen würde ihm durch seine Trommelfelle ins Hirn gebohrt. Er zog die Schultern hoch
Weitere Kostenlose Bücher