Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0470 - Die blutrote Nacht

0470 - Die blutrote Nacht

Titel: 0470 - Die blutrote Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
Vom Netzwerk:
Fledermäuse etwas länger und eingehender zu betrachten, selbst auf das Risiko hin, daß er sie aufscheuchte und ihnen das Gefühl der Geborgenheit nahm - dann wäre ihm möglicherweise etwas aufgefallen.
    So aber blieb José Maneira ahnungslos…
    ***
    Cartagena hatte seinen Feierabend ein wenig vorgezogen. Das fiel überhaupt nicht auf. Er befand sich in einer Position, welche ihm die freie Gestaltung seiner Arbeitszeiten ermöglichte. Und außerdem - zur Not fand sich immer eine Ausrede für ihn, Freizeit als Arbeit zu deklarieren. Ging auch das nicht, klappte es mit ein wenig Bestechung oder ein wenig Erpressung - das einzige, worauf man sich in Rio einigermaßen verlassen konnte, war die Korruption. Kein Wunder bei den niedrigen Gehältern, die der Staat seinen Dienern gewährte. Da konnte so mancher Beamte schon neidisch werden, wenn er am Monatsende seine kärgliche Gehaltsabrechnung betrachtete und dann die reichen Touristen aus aller Welt sah, die mit ihrem Geld nur so um sich warfen. Für das, was mancher Tourist innerhalb einer Stunde ausgab, mußten Einheimische einen Monat lang arbeiten.
    Cartagena stoppte den Dienstwagen im Halteverbot, stieg aus und setzte sich an einen freien Tisch des Straßenrestaurants, dessen Stammgast er war. Er ließ sich ein Glas Bier bringen, trank und sah den hübschen Mädchen in ihren kurzen Röcken und dünnen Blusen zu, die sich die Zeit vertrieben und durchaus auch Begleitung suchten - für den Nachmittag, für den Abend, für die Nacht. Manche nur so aus Spaß, andere für Geld. Kaum saß Cartagena, als ein attraktives Mischlingsmädchen, das so gut wie alle Hautfarben der Welt im Stammbaum hatte, sich zu ihm gesellte. Im ersten Impuls wollte Cartagena das Mädchen fortschicken; er hatte Marin Careio entdeckt, der soeben zielstrebig auf ihn zusteuerte. Careio und Cartagena waren seit ihrer Kindheit befreundet, und obgleich ihre beruflichen Wege sich getrennt hatten, hatten sie sich doch nie aus den Augen verloren. Zu der Freundschaft war noch ein Zweckbündnis gekommen. Cartagena ließ im Amt für Städteplanung und Bauwesen für sich arbeiten, und Careio hatte bei der Polizei Karriere gemacht, hatte die Mordkommissionen unter sich und war auch nicht gerade einer der sieben unbedeutendsten Männer der Stadt. Die Verbindung konnte durchaus fruchtbringend sein; wenn diese beiden Männer zusammen etwas ausheckten oder sich gegenseitig bei ihren Vorhaben unterstützten, klappte es garantiert, weil jeder von ihnen die Drähte kannte, an denen er ziehen oder schmieren mußte.
    Nur an Maneira hatten sie sich beide die Zähne ausgebissen.
    Auf den Hobby-Naturschützer spielte Marin Careio an, als er ebenfalls Platz nahm, dem Mädchen freundlich zunickte und dann fragte: »Kommst du eben von draußen, Manuel?«
    Cartagena nickte. »Er hat es tatsächlich hingekriegt. Was trinkst du? Und was kann ich dir bringen lassen, Kleine?« wandte er sich an das Mädchen.
    Sie wollte nur einen Saft. Careio wählte Bier wie sein Freund, weil es gut und preiswert war. Wein und Spirituosen waren wesentlich teurer, schmeckten schlechter, und die Krone des schlechten Geschmacks stellte Champagner dar - es sei denn, die genannten Produkte waren keine einheimischen Erzeugnisse, sondern für noch teureres Geld importiert. Das, was Brasiliens Alkoholindustrie herstellte, konnte man wohl verkaufen, aber nicht trinken…
    »Wie heißt du, Kleine?« wollte Cartagena wissen.
    Sie nannte sich Federica, und sie hatte viel Zeit. Sie hatte auch noch Freundinnen, damit auch Careio nicht allein zu sein brauchte. Aber der Polizist lehnte dankend ab. Er war schwer verheiratet, liebte seine Frau zum Unglück aller anderen Frauen, die den gutaussehenden höheren Beamten gern in ihren Armen gehalten hätten, und dachte nicht im Traum daran, seine Carmencita zu betrügen. Das schloß natürlich nicht aus, daß er den hübschen Mädchen nachschaute und sich an ihrem Anblick erfreute.
    Cartagena hatte indessen nichts dagegen, daß Federica ihre Freundin Belice heranwinkte. Er war noch nie ein Kostverächter gewesen, hatte in zehn Jahren drei Hochzeiten und drei Scheidungen hinter sich und fand auch an zwei Mädchen zugleich Gefallen. Die beiden Hübschen, die mit ihrer offenherzig-reizvollen Kleidung signalisierten, was ihre Lieblingsbeschäftigung war, kamen ihm heute zur Ablenkung gerade recht. Cartagena haßte diese ekligen Fledermäuse regelrecht, und obgleich er dem Turm nicht einmal nahegekommen war und die

Weitere Kostenlose Bücher