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0470 - Die blutrote Nacht

0470 - Die blutrote Nacht

Titel: 0470 - Die blutrote Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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abgelegenen Häuserschluchten der Slums oder am nächtlichen Strand zu jagen, sondern wagte sich in wesentlich lebhaftere Bereiche. Er wollte wissen, wie gut er sich bereits tarnen konnte. Und es gelang ihm. Er fand sein Opfer in einem der größten Hotels der Stadt und zu einer relativ frühen Abendstunde, da die Sonne gerade erst untergegangen war. Er holte die Frau aus dem Hotelzimmer und labte sich an ihrem Lebenssaft, um sie dann tot auf dem Balkon zurückzulassen und wieder in seinem Versteck zu verschwinden.
    Niemand hatte ihn bei seinem Tun beobachtet, aber noch in der gleichen Nacht wurde die Tote gefunden. Bei der Obduktion am darauffolgenden Vormittag wurde ein Mediziner stutzig, der vor zwei Tagen schon einmal eine weitestgehend blutleere Tote unter dem Skalpell gehabt hatte. Beim ersten Fall hatte er sich nicht viel gedacht, weil die Tote durch den Sturz aus großer Höhe erhebliche Verletzungen davongetragen hatte. Jetzt aber machte ihn der zweite Fall neugierig. Er erkundigte sich auch bei seinen Kollegen aus anderen Schichten. So erfuhr er, daß am Vortag ebenfalls eine Tote obduziert worden war, die diesmal am Strand aufgefunden worden war.
    Kollege Peres wollte ihm mit extremen Einzelheiten kommen, aber Dr. Morón winkte wenig begeistert ab. Ihn interessierte nur die Blutleere. »Keine äußerlichen Verletzungen, Peres?«
    »Keine, außer ein paar unbedeutenden Kratzspuren, die wohl dem Liebesvergnügen zuzuschreiben sind, das sie sich kurz vorher noch mit einem hohen Tier aus der Stadtverwaltung gönnen durfte… da hatte sie wenigstens noch einmal für kurze Zeit was vom Leben gehabt…«
    Bemerkungen dieser Art fand Morón geschmacklos. Aber in seinem und Peres' Beruf wurde man mit der Zeit abgebrüht und neigte zum Bissig-Makabren. Ihm selbst war es auch schon hin und wieder vorgekommen.
    Er fragte bei der Polizei nach. Wenig später bekam er Besuch von einem gewissen Careio, den Dr. Morón als zuständig für die Mordkommission der Stadt kannte. Careio interessierte sich für Moróns Aussage, und dann durfte auch Dr. Peres noch einmal mündlichen Bericht erstatten.
    »Und wo ist der erste Autopsiebericht geblieben?« tobte Careio wenig später und nannte seine Mitarbeiter Stümper, blutige Laien und Narren. Eine bereits geschlossene und im Archiv abgelegte Akte wurde wieder geöffnet. Careio wedelte mit dem gleich oben abgehefteten Autopsiebericht. »Und keinem von ihnen, senhores , ist die Blutarmut des Opfers aufgefallen?«
    Als sich herausstellte, daß der Bericht nicht einmal gelesen worden war, winkte er nur noch ab, dachte aber daran, ein paar besonders ausgesucht wache Exemplare seines Mitarbeiterstabes versetzen zu lassen. Zum Verkehrregeln an die größten und verkehrsreichsten Kreuzungen Rios. Nur die Tatsache, daß er bei der herrschenden Arbeitsüberlastung nicht einmal auf offenkundig unfähige Mitarbeiter verzichten konnte, rettete diese Beamten davor, vorzeitig Auto-Abgase einatmen zu müssen.
    »Um diese Sache kümmere ich mich ab sofort selbst!« beschloß er und dachte an seinen Freund Manuel Cartagena. Dem hatte er versprochen, den Tod seiner Zufallsbekanntschaft aufzuklären.
    War das hier eine verwertbare Spur?
    Aber wohin führte sie?
    An Vampire zu glauben fiel ihm nicht im Traum ein. Selbst die aggressivsten blutsaugenden Arten unter den Fledermäusen würden nicht mitten in der Stadt Menschen leersaugen, wenn sie in der Tierwelt der Wildnis viel leichtere Opfer fanden.
    Was aber steckte dann hinter diesen drei ominösen Todesfällen? Daß es zwischen ihnen einen direkten Zusammenhang gab, war schließlich vollkommen klar.
    ***
    Professor Zamorra betrat Zimmer 414 des Hilton-Crest und zog die Tür wieder hinter sich zu. Unwillkürlich seufzte er. Es gab zwar eine Klimaanlage, die sich durch lautes Dauer-Summen auszeichnete, dem tropischen Backofen aber nicht viel entgegenzusetzen hatte. Drinnen war es fast heißer als draußen, und in Zamorra kam prompt der Wunsch nach einer kalten Dusche auf, doch war ihm aus trüber Erfahrung klar, daß das, was aus der Leitung kam, zwar Wasser war, aber alles andere als kalt.
    Das Hotel besaß zwar einen guten Traditionsnamen, war aber von minderer Qualität. Auch wenn man in Betracht zog, sich in einem südlichen Land aufzuhalten, in dem vieles anders war als auf der kühlen, durchtechnisierten Nordhälfte der Erdkugel, konnten die beiden nebeneinanderliegenden und mit einer immerhin abschließbaren Verbindungstür gesegneten

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