0470 - Mörder jagen einen Mörder
diente als Schaltraum für die Bedienung der Staustelle. Hier befand sich auch das Telefon.
Der Apparat hing an der Wand. Ich nahm den Hörer ab und drückte den Rufknopf. Niemand meldete sich.
Die Frau war mir in den Raum gefolgt. »Die Wäsche ist an Wochenenden nicht in Betrieb«, sagte sie. »Es wäre Zufall, wenn sich jemand dort aufhalten würde. Das Telefon wird nur benutzt, wenn sie dort unten mehr Wasser brauchen und mein Mann den Abfluß aus dem See regeln soll.«
»Wo ist Ihr Mann, Madam?«
»Er fuhr nach Lakewood. Er trifft sich mit einigen Freunden. Sie haben einen Omnibus gechartert und wollen zu einem Baseballspiel nach New Jersey. Er kommt erst morgen zurück.«
Sie musterte mich aufmerksam. »Sie sind erschöpft«, stellte sie fest. »Kommen Sie mit! Ich koche Ihnen Kaffee.«
Sie führte mich in die Küche, die gleichzeitig als Wohnraum diente. Sie entzündete eine Flamme des Propangasherdes. Der Junge hielt sich in der Nähe seiner Mutter. Plötzlich fragte er: »Mammy, ist das der Mann, nach dem sich die anderen Männer erkundigt haben?«
Ich warf den Kopf hoch. Die Frau nickte auf meine unausgesprochene Frage. »Zwei Männer fragten, ob ein Fremder hier aufgetaucht sei. Sie entsprechen der Beschreibung. Die Männer fuhren einen grünen Ford.«
»Ist das Haus von der Straße aus zu erreichen?«
»Die Hauptstraße führt in dreihundert Yard Abstand hier vorbei, aber es gibt eine schmale Stichstraße als Verbindungsweg.«
Sie setzte Wasser auf. »Ich glaube nicht, daß sie noch einmal zurückkommen. Sie sollten sich ausruhen. Sie sind wirklich am Ende Ihrer Kräfte. Man sieht es.«
Wieder meldete sich der Junge. »Ist er der Mörder, Mammy?« Sie ging zum Schrank und nahm eine Tasse heraus. »Ich glaube nicht, daß er ein Mörder ist, Tommy.«
Sie stellte die Tasse auf den Tisch. »Die Männer erklärten, sie suchten nach einem gefürchteten ’Killer. Sie sagten, sie selbst wären Polizisten. Sie sahen nicht wie Polizisten aus.«
Ich lächelte ein wenig. »Ich hoffe, ich sehe nicht wie ein Mörder aus.«
»Sie hätten nicht zu telefonieren verlangt, wenn Sie wirklich ein Verbrecher wären«, antwortete sie.
»Danke, Madam, für Ihr Vertrauen. Ich bin FBI-Beamter.«
Der Boy ließ den Rock seiner Mutter los und kam einen Schritt näher. »Ein G-man?« fragte er. »Du bist ein G-man?«
Ich grinste ihn an. »Sieht wohl nicht so aus, wie?« Zu seiner Mutter gewandt, sagte ich: »Darf ich Ihnen einige Fragen stellen, Madam?«
Der Duft des Kaffees erfüllte die Küche. »Wie weit ist es zum nächsten, wirklich funktionierenden Telefon?«
»In der Unterkunftssiedlung für die Arbeiter finden Sie gleich ein halbes Dutzend. Am einfachsten ist, Sie gehen in die Wirtschaft.«
»Haben Sie eine Waffe im Haus?« Sie schüttelte den Kopf. »Nein.« Sie lächelte. »Ausgenommen die Colts meines Sohnes.«
»Wie weit ist es bis zur Unterkunftssiedlung?«
»Acht Meilen.«
»Besitzen Sie einen fahrbaren Untersatz?«
»Wir haben ein Auto, aber mein Mann ist damit unterwegs.« Sie füllte meine Tasse. »Außerdem habe ich noch ein Fahrrad, mit dem ich hin und wieder in die Siedlung fahre.«
»Würden Sie es mir leihen?«
»Selbstverständlich. — Wollen Sie etwas zu essen haben?«
»Danke, Madam. Wenn ich Ihren Kaffee getrunken habe, werde ich mich auf die Strümpfe machen.«
»Sollten Sie nicht besser warten, bis es dunkel geworden ist? Sie müssen die Straße benutzen, wenn Sie zur Siedlung gelangen wollen. Ich glaube, daß die Männer dort auf Sie lauern. Sie wissen, daß es keinen anderen Weg gibt. In der Dunkelheit hätten Sie eine bessere Chance, ihnen zu entgehen.«
Ich trank von dem Kaffee. »Sie sind sehr freundlich, Madam.«
»Ruhen Sie sich einige Stunden aus. Am besten wechseln Sie auch die Kleider. Ich kann Ihnen einen Overall meines Mannes geben.«
Der Boy rückte näher an mich heran. »Hast du schon viele Gangster gefangen, G-man?« erkundigte er sich.
»Hin und wieder«, gab ich zu. »Manchmal kommt es leider auch vor, daß die Gangster mich jagen, heute zum Beispiel.«
»Was haben die Männer mit dem grünen Ford verbrochen?«
Die Frau merkte, daß ich nicht antworten wollte. »Laß den Mister in Ruhe, Tommy!«
In zehn Minuten verleibte ich mir drei Tassen Kaffee ein, aber ich wurde nicht munter davon. »Wir haben eine Couch im Nebenraum«, drängte die Frau. »Schlafen Sie einige Stunden!« Ich dachte über ihren Vorschlag nach. Sie hatte recht. Ich war immer noch
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