0476 - Der Sohn des Killers
»Niemals, Mr. Cotton. Sie müssen sich irren.«
Ich drehte meinen Kopf zu John Harris herum. Von dem erfolggewohnten Playboy war nur ein zitterndes, hilfloses Bündel Mensch übriggeblieben. »Oder können Sie mir die Frage beantworten, Mr. Harris?«
George Martin blickte ihn an. »Du, John?«
»Ja, ja, ja«, brach es aus ihm heraus. »Ich kann diesen hochnäsigen, kalten Mann nicht leiden. Ich haßte ihn. Und als Price den Auftrag bekam, den Penner fertigzumachen, ergriff ich die Gelegenheit.«
»Wissen Sie, wer dieser junge Mann ist?« fragte George Martin. Seine Stimme klang auf einmal brüchig und alt.
»Ich weiß es nicht. Und ich muß zugeben, daß ich zunächst ziemlich verwirrt war, als er so plötzlich ins Spiel kam. Aber ich kann es mir denken, Mr. Martin.«
»Ja«, nickte er, »mein Sohn, mein einziger Sohn. Er hat keine Schuld, wenn er auch vor dem Gesetz schuldig gesprochen wird. Er ist mein Abgott, nicht weil er schön ist und alles das besitzt, worauf ich verzichten mußte. Ich liebe ihn, wie ein Vater sein Kind nur lieben kann. Aber er hat mir nie ein gutes Wort geschenkt. Für ihn wurde ich zum Verbrecher, Mr. Cotton.«
»Ich hatte Sie gleich von Anfang an im Verdacht. Was mir fehlte, war das Motiv. Wenn ich das mit Ihrem Jungen gewußt hätte…« Ich ließ den Satz unvollendet. Die Augen des buckligen Mannes sahen mich an, als ob sie sagen wollten, sprich nicht weiter.
Ich kam auf meinen Besuch in seinem Büro zurück.
»Sie gaben mir damals selbst den besten Hinweis. Erinnern Sie sich, als Sie mir erzählten, daß man internationale Verbindungen haben müßte, um den Schmuck gut abzusetzen? Nachdem Mac Dovan ausgeschaltet war, kamen eigentlich nur Sie in Frage. Ich weiß nicht, wodurch Sie von McDovans Bande erfuhren. Aber nachdem Sie einmal herausgebracht hatten, daß er der Kopf der Diamantenbande war, konnten Sie den Rahm abschöpfen. Ich nehme an, Ihr Sohn war der Kontaktmann zu Henry und seinen Leuten.«
»Ja, und es machte mir sogar Spaß, alle an der Nase herumzuführen. Ich bin nie ernst genommen worden, Mr. Cotton. Immer hat man mich nur herumgestoßen, hat mich belächelt. Ich war wie ein wildes Tier, das man wegen seiner Häßlichkeit anstaunte.«
»Sie haben noch einen Fehler gemacht. Leider habe ich erst gestern davon erfahren.«
Martin lächelte. »Ich weiß, Sie meinen den Teilhabervertrag mit McDovan. Aber früher ging es nicht. Ich mußte warten, bis er in der Klemme saß.«
Miß Gladys hörte die ganze Zeit über unbeweglich zu. Sie wirkte wie ein Wesen aus einer anderen Welt, unnahbar und seelenlos.
Ihre Augen richteten sich unverwandt auf John Harris, für den sie das alles getan hatte.
Als Phil ihr auf die Schulter tippte, stand sie wortlos auf.
ENDE
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