0481 - Im Schlund des Dreitöters
Maschine durch.
»Dann also bis morgen. Ich freue, mich, John.«
»Tja, ich auch. Und stell den Wodka kalt.«
»Darauf kannst du dich verlassen.«
***
Panja Orgenkin wohnte in einer der wenigen Vorstädte Moskaus, die man nicht durch Hochhäuser verschandelt hatte. In dieser Gegend gab es noch individuelle Wohnqualität, auch wenn viel durcheinander gebaut worden war. Keiner der Nachbarn wäre auf die Idee gekommen, daß zwischen ihnen ein Spitzenagent des KGB lebte. Das war Orgenkin tatsächlich. Er gehörte zu den Topleuten und einer Spezialeinheit an, die den amerikanischen Elitetruppen gleichkam.
Und jetzt war er verschwunden.
Einfach weg, wie, vom Erdboden verschluckt. Das konnte Wladimir Golenkow noch immer nicht fassen. Darüber grübelte er nach, und er fragte sich immer wieder, was Panja wußte.
Hoffentlich nicht zuviel, denn ihr Mann war zusätzlich noch Geheimnisträger und hatte eine Art Eid leisten müssen.
Die Reifen des Dienstwagens wühlten sich durch Eis und Schnee.
Die Straßen waren im Schachbrettmuster angelegt worden, da fanden sich auch Fremde leicht zurecht. Rasch war in einer Seitenstraße das Eckhaus gefunden. Die Sonne stand tief und blendete, deshalb setzte Golenkow die dunkle Brille auf.
Vor dem Haus ließ er den Wagen ausrollen. Er stieg noch nicht aus und schaute sich das Gebäude an.
Das Dach war weit vorgezogen, so daß es über der Eingangstür Schutz bot. An den Dachrinnen hingen noch Eiszapfen, und auf dem Dach lag eine blasse Schicht aus Schnee und Reif. Das Gebäude sah sehr stabil aus. Vor dem Eingang breitete sich eine Holzveranda aus. Sogar eine Bank stand unter der Tür. Im Sommer mußte es hier wunderbar sein.
Golenkow stieg aus. Vor seinen Lippen dampfte der Atem. Er war froh, die gefütterte Lederjacke übergezogen zu haben. Hier draußen war es kälter als in der Moskauer Innenstadt.
Bevor er die Tür erreichte, wurde sie schon von innen geöffnet. Die gleiche Stimme begrüßte ihn, die er schon vom Telefon her kannte. »Kommen Sie bitte, Genosse Golenkow.«
»Danke.« Der Agent trat seine Füße auf der Matte und ging in das Haus. Es war alles so bürgerlich, so völlig harmlos. Wieder mußte er anerkennen, daß sich Orgenkin eine ausgezeichnete Tarnung ausgesucht hatte.
Er schloß die Tür und sah Panja Orgenkin neben einer Holzikone stehen, die an der Wand hing, wo es hoch in die obere Etage ging. Auf der schmalen Treppe hatte die Frau sogar noch Platz für einige Blumentöpfe gefunden.
Sie war ungefähr 30, ziemlich stabil, hatte dunkelbraunes Haar, das einen strengen Schnitt zeigte und ihr eher hartes Gesicht nicht gerade weicher aussehen ließ. Die Augen blickten ziemlich kühl.
Die weiße Bluse sah wie frisch gestärkt aus, der enge, blaue Tuchrock spannte sich um die ausladenden Hüften und endete weit unter den Knien. Über die Bluse hatte sie eine ebenfalls blaue Strickjacke gestreift, deren drei Knöpfe geschlossen waren.
»Ich freue mich, Genosse Golenkow, daß Sie gekommen sind.«
»Das war selbstverständlich.«
»Nicht immer reagieren die Leute von der Zentrale so.«
»Sie scheinen schlechte Erfahrungen gemacht zu haben.«
»Das nicht gerade.« Sie lächelte knapp. »Aber es kann ja nicht alles geheim bleiben. Bitte, kommen Sie mit.«
Panja Orgenkin führte den KGB-Mann in einen kleinen Wohnraum, der noch im Erdgeschoß lag.
Das Zimmer war mit älteren Möbelstücken eingerichtet. Die Couch war wuchtig. Der Stoff zeigte ein Muster aus großen Blumen, die allerdings schon verwaschen wirkten. Auf der Kommode stand ein Foto des Hausherrn. Sessel und Fernsehapparat waren ebenfalls vorhanden, außerdem ein Schrank und zwei Bilder, die als Motive die fast grenzenlose Weite des russischen Landes zeigten.
Durch zwei kleine Fenster schaute man in den Garten, wo das Geäst der Obstbäume eine Schicht aus Rauhreif und dünnem Eis trug.
Die beiden hatten sich an den Tisch gesetzt. »Möchten Sie etwas trinken, Genosse?«
Wladimir wehrte dankend ab. »Nein, ich habe auch nicht sehr viel Zeit. Wenn Sie mir sagen würden, was Sie auf dem Herzen haben…«
Panja faßte es mit einem Satz zusammen. »Ich glaube nicht mehr daran, daß mein Mann noch lebt.«
»Wieso?«
Sie hob die Schultern. »Das kann ich mir nicht vorstellen.«
Golenkow beugte sich vor. »Aber es gibt keine Beweise, daß es anders sein könnte.«
Panja schaute ihn aus ihren dunklen Augen an. »Was ist für Sie wahrscheinlicher? Tod oder Leben?«
»So dürfen Sie mir die Frage
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