0483 - Der Yeti ist da!
Tasche der gefütterten Jacke gesteckt, zog jetzt den dicken Handschuh aus, damit er mich, wenn es sein mußte, beim Schießen nicht behinderte.
Wieder klang das polternde Geräusch auf. Abermals rutschte Schnee nach. Ich blieb stehen, zog meine kleine Lampe hervor und wollte es genau wissen.
Den Strahl sandte ich in die Richtung, in der auch das Poltern aufgeklungen war.
Er glitt über den gefrorenen Schnee, so daß die Eiskristalle glänzten wie kleine Diamanten.
Da ich möglichst viel von der Fläche sehen wollte, mußte ich den Arm schwenken. Von rechts nach links glitt der Kegel über den hellen Schnee.
Da sah ich ihn!
Er hockte auf der Dachschräge wie ein dicker, schwarzer Klumpen. Dabei hatte er eine Haltung angenommen, die es ihm ermöglichte, sich mit einer Seite am Schneegitter abzustützen.
So unförmig er auch wirkte, für mich gab es keinen Zweifel, daß ich den Yeti vor mir hatte.
Ich bewegte meine Hand nicht mehr. Der Strahl konzentrierte sich jetzt auf die Gestalt, von der ich einfach mehr sehen wollte als nur ihre Umrisse.
Ich sah die gelblichen Flecken im oberen Teil des Klumpens. Das konnten nur seine Augen sein, die so böse und gleichzeitig auch sezierend blickten. Er hatte von hier aus alle Chancen für einen Überraschungsangriff bekommen. Niemand würde mit einer Attacke vom Dach her rechnen. Gleichzeitig dachte ich daran, daß mir die Chance gegeben war, den Yeti auszuschalten, ohne daß er weitere Opfer auf sein Mordkonto geladen hatte.
Meine rechte Hand war von keinem Handschuh mehr geschützt. Bevor die Finger steif wurden, wollte ich die Bestie erledigt haben. Ich holte die Beretta hervor und zielte dorthin, wo die beiden Augenpunkte so kalt leuchteten.
Bisher lief alles wunderbar, bis der Yeti plötzlich bemerkte, was los war.
Ich wußte nicht, ob er mich bewußt in Sicherheit gewiegt hatte, jetzt aber handelte er.
Mit einer plötzlichen Bewegung schaufelte er mir wahre Schneeberge entgegen. Die Sicht auf ihn wurde mir genommen, ich drückte dennoch ab, verriß den Schuß und dann klatschten die Massen gegen mich.
Die Schneeoberfläche war verdammt hart. Ich bekam es zu spüren, als mich die Ladung voll traf und mich zurückschleuderte. Fast wäre ich noch ausgerutscht, aber durch Pendelbewegungen der Arme erlangte ich mein Gleichgewicht zurück.
Der Yeti schleuderte mir die zweite Schneeladung entgegen. Sie traf mich und donnerte auch gegen die Wand hinter mir. Mein Gesicht hatte ebenfalls etwas abbekommen, das Zeug klebte an den Augen, ich wischte es mit der freien Hand weg und hörte die widerlichen Geräusche, als der Yeti vor mir erschien.
Daß er Kraft besaß, bekam ich einen Moment später zu spüren. Diesmal erwischte mich sein Prankenhieb und sorgte dafür, daß ich vom Sims geworfen wurde.
Im hohen Schnee landete ich auf der Dachschräge, dachte nicht mehr an den Einsatz der Beretta und rutschte nach unten, eingehüllt in einen Mantel aus Schnee und begleitet von Eisklumpen. Mit dem Gesicht tauchte ich dabei in die kalte Masse, wurde blind, aber mein Überlebenswille hatte sich gefestigt.
Noch vor der Dachkante mußte es mir gelingen, meine Fahrt zu stoppen, sonst stürzte ich vom ersten Stock aus in die Tiefe, und das konnte böse enden.
Der Yeti interessierte mich momentan nicht. Ich spreizte die Beine und suchte so nach einem besseren Halt, aber es war einfach zu glatt. Eine Chance, die Rutschpartie zu stoppen, bekam ich nicht.
Dann passierte es.
Es war wie bei einem Kopfsprung in den Pool. Nur befand sich unter mir kein Wasser, sondern der Boden.
Ich zählte nicht nach, wie lange ich mich in der Luft befand. Mein Herzschlag schien stehengeblieben zu sein, ich wartete auf den Aufprall und rollte mich zusammen.
Der Aufschlag!
Nicht brutal oder knochenbrechend, zwar hart, aber trotzdem weich. Ich verschwand, wieder wurde es dunkel um mich. Kälte biß in mein Gesicht, aber mir war nichts passiert.
Es dauerte einige Sekunden, bis mir dies klar geworden war. Ich hatte den kopfüber ausgeführten Sturz aus der ersten Etage tatsächlich, ohne Schaden zu nehmen, überstanden.
Was war der Grund?
Man konnte ihn als lächerlich simpel bezeichnen oder als Glück im Unglück. Ich war in einem hohen Schneehaufen gelandet, der den Sturz gebremst und aufgefangen hatte.
Noch bestand kein Grund zum Jubeln, da der verfluchte Yeti auch weiterhin lebte, aber ich konnte ihn jetzt zum zweitenmal stellen und würde dementsprechend vorsichtiger sein.
Etwas mühselig
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