0483 - Die Seelen-Piraten
den Bruchteil einer Sekunde glaubte sie Kims Gedanken berührt und gesehen zu haben, daß die Schwarzhaarige die Wahrheit sagte - sie schien sich tatsächlich auf den Kern ihres Glaubens konzentriert zu haben!
Zu welcher Religion auch immer der gehörte…
***
In den späten Nachmittagsstunden hatte Shackleton sich dann bemüht, über Funktelefon Riker zu erreichen. Das Gespräch war digitalisiert und lief über einen komplizierten Zerhacker; nur wer den Kode kannte, konnte die Bruchstücke in der richtigen Reihenfolge wieder zusammensetzen. Dazu kam eine extreme Raffung; ein 30-Sekunden-Satz wurde auf eine Sekunde zusammengezogen und beim Empfänger, der auf den genauen Wert programmiert war, wieder entzerrt. Auf diese Weise war das Gespräch ähnlich abhörsicher wie der auf einer besonderen, von normaler Radiotechnik nicht erfaßbaren Frequenz arbeitende möbius’sche Trans funk. Nur gab es hier technisch bedingte zeitliche Verzögerungen; obgleich sie im Sekundenbereich lagen, waren sie doch spürbar.
Riker bestätigte, daß der Hubschrauber mit Zamorra und seiner Begleiterin vor nicht ganz einer Stunde eingetroffen sei, und Shackleton bestätigte seinem Boß, daß dessen Verdacht sich bewahrheitet habe.
»Unternehmen Sie vorerst nichts«, hatte ihm Riker mitzuteilen. »Wir werden hier beraten, was wir gegen die Sekte tun können. Sie hören morgen wieder von mir, Shackleton.«
Damit war das kurze, abhörsichere Gespräch wieder beendet. Shackleton nagte an seiner Unterlippe. Schließlich machte er Feierabend; momentan gab es für ihn nichts weiter zu tun. Auf dem Weg zu seiner Wohnung wurde er mit Radiomusik überflutet; der öffentliche Nahverkehr versuchte dadurch an Attraktivität zu gewinnen, daß in den Stadtbussen die lokalen Radiosender je nach Laune des Fahrers dudelten. Dazwischen gab es natürlich auch Nachrichtensendungen .
Plötzlich spitzte Shackleton die Ohren.
»… uns gerade mitgeteilt wurde, fand Ricardo Steinmuller, leitender Mitarbeiter eines weltweit operierenden Industriekonzerns mit Sitz in Frankfurt, Germany, Europa, vor einer halben Stunde bei einem tragischen Verkehrsunfall in der Innenstadt den Tod. Ein offensichtlich betrunkener Autofahrer geriet von der Fahrbahn auf den Gehsteig und ergriff die Flucht, nachdem er Steinmuller durch den Aufprall zehn Meter weit durch die Luft und in ein Schaufenster schleuderte. Erste Vermutungen, daß es sich um einen terroristischen Anschlag handele, erweisen sich als bare Spekulation, obgleich Steinmuller zu den Führungskräften unserer Industrienation…«
Shackleton verließ den Bus zwei Haltestellen zu früh. Er konnte und wollte die Stimme des Nachrichtensprechers nicht mehr hören.
Steinmullers »Verkehrsunfall« war kein Zufall.
Der unsichtbare Feind hatte zugeschlagen. Ricardo Steinmuller war das erste Opfer.
Er war mit seinen Nachforschungen der Parascience-Society zu dicht auf den Pelz gerückt. Deshalb hatten sie ihn beseitigt. Seine Absicht, für ein paar Wochen unterzutauchen, hatte er nicht mehr verwirklichen können.
Ein kalter Schauer überlief Will Shackleton.
Er war der nächste auf der Abschußliste!
***
Wenig später bekam ein grauhaariger Neger namens Garth einen Anruf. »Shackleton ist uns auf der Spur, Sir. Er hat erkannt, worum es geht. Zusammen mit einem Kollegen seiner Konkurrenz, ausgerechnet!«
»Und?« fragte Garth trocken.
»Ich habe unsere Verbindungsleute informiert, sie werden sich mittlerweile entweder schon auf ihre Weise um den anderen Ermittler gekümmert haben oder sich deshalb noch mit Ihnen in Verbindung setzen, Sir. Ich halte Shackleton für gefährlich. Der Mann besitzt eine Entschlossenheit, die unseren Zwecken dienlicher wäre, aber er dürfte kaum umzudrehen sein. Was sollen wir mit ihm tun?«
»Wieviel weiß er?«
»Er weiß, daß die Parascience-Society hinter den Personalentscheidungen zahlreicher Firmen steht, und er vermutet, daß wir eine geistige Elite für uns zu rekrutieren versuchen. Dementsprechend hat er sich in einem kodierten Ferngespräch dem Geschäftsführer der T.I., Riker, gegenüber geäußert. Shackletons Sekretärin hat das Gespräch ohne sein Wissen aufgezeichnet - zumindest das, was Shackleton selbst zu sagen hat. Aufgrund der Kodierung ließ sich leider Rikers Antwort nicht aufzeichnen.«
»Ich werde der Sekretärin mein besonderes Lob für ihre Loyalität der Parascience-Society gegenüber aussprechen. Sie halten Shackleton also für eine Bedrohung.«
»Ja.
Weitere Kostenlose Bücher