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0488 - Blutregen

0488 - Blutregen

Titel: 0488 - Blutregen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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abschätzig. Er wußte, was er von den Wächtern zu halten hatte. Die waren mit ziemlicher Sicherheit immer gerade im entgegengesetzten Teil des Ortes, wenn etwas geschah - natürlich rein zufällig.
    Sekundenlang überlegte Robor, ob er auf Zamorras Flucht hinweisen sollte. Aber vielleicht war es besser, wenn er zu dieser Zeit noch nicht zu erkennen gab, daß er von den Ereignissen im Folterraum wußte. Immerhin war jedem bekannt, daß Robor an diesem Abend eine Beschwörung vorgenommen hatte; also brauchte er nichts von dem zu wissen, was sich sonst noch ereignet hatte. Ein Zufallsfund durch einen anderen Bruder war da wesentlich effektiver, und darauf hatte er ja bei seiner Vorbereitung auch hingearbeitet.
    »Vielleicht«, gab er zu bedenken, »hat es etwas mit dem Fremden zu tun, der Xolox am Nachmittag im Regenbogenfeld entfliehen konnte. Davon habt ihr sicher gehört, meine Brüder.«
    Sie hatten. »Du glaubst, Robor, daß dieser Fremde sich in der Nähe herumtreibt und versucht, seinen Gefährten aus dem Tempel zu befreien? Dazu müßte er aber erst einmal wissen, daß jener hier eingesperrt ist. Zudem sind Haupttor und Seitenzugänge verriegelt. Wie sollte er hereinkommen?«
    »Die Türen neben dem Hauptportal sind immer offen«, gab Robor zu bedenken.
    »Dennoch - die Zugänge von der Seite sind es nicht. Niemand kann eindringen, ohne daß er bemerkt wird.«
    Robor nickte. Er konnte im letzten Moment den Hinweis verkneifen, daß er Zamorra für jemanden hielt, der sich per Gedankenkraft von einem Ort zum anderen versetzen konnte. Und wenn er es konnte, dann konnte es vielleicht auch sein flüchtiger Gefährte! Aber eine solche Bemerkung hätte möglicherweise einen Hinweis auf Robors eigene besondere Fähigkeit gegeben. Und das wollte er tunlichst vermeiden.
    »Xolox läßt den flüchtigen Fremden derzeit von den Kriegern aus der Garnison suchen«, fiel dem Sprecher der anderen Brüder plötzlich ein. »Aber der dicke Fremde ist nicht allein. Er soll noch eine Begleiterin bei sich haben. Sie sind hier im Ort gesehen worden.«
    »Wie schön, daß ich auch endlich davon erfahre«, knurrte Robor. »Warum hat man mich nicht davon unterrichtet?«
    »Wir konnten dich doch bei deiner Beschwörung nicht stören.«
    »Ja«, murmelte der Mordpriester. »Ja, sicher. Aber von jetzt an haltet mich auf dem laufenden über alles, was geschieht. Wir können keine geheimnisvollen Begebenheiten in der Nähe des Tempels vom Stein dulden!«
    ***
    Vor den Augen des Gnoms begann es zu flimmern. Ein Bild schälte sich aus wallenden Nebelschleiern. Er sah eine weite Ebene in der Morgendämmerung. Eine leichte Brise wehte graue Ascheschleier über das verbrannte Land. Schwarzverkohlte Pflanzenstengel ragten wie mahnende, knöcherne Zeigefinger aus dem Boden.
    Der Gnom brauchte eine Weile, um zu erkennen, was er da sah. Es handelte sich wohl um ein riesiges, niedergebranntes Feld. Aber was war hier wohl einmal gewachsen?
    Nach wie vor murmelte der Schwarzhäutige seine Zauberformeln. Er versuchte, das Bild konkreter werden zu lassen. Wo befand sich diese seltsame, verbrannte Landschaft? War sie wirklich das, was er suchte? Und wenn ja, wie konnte man sie dann körperlich erreichen?
    Er sah derzeit ja nur das Abbild! Er war zwar sicher, daß er auf diese Weise zum gewünschten Ziel vorgedrungen war, aber was half es ihm, nur sehen, aber nicht handeln zu können?
    Da war nicht nur Asche!
    Da war auch eine unversehrte Pflanze. Ein Keimling, er sproß empor, wuchs so unnatürlich rasch, daß man ihm dabei zusehen konnte. Während der Zeit, in welcher der Gnom dieses Bild wahrnahm, wuchs der Keimling um etwa zehn Zentimeter.
    Was bedeutete das?
    Gab es wirklich Pflanzen, die sich dermaßen schnell entwickeln konnten?
    Ein Schwächeanfall ließ den Gnom erzittern. Das Bild verschwamm vor seinen Augen. Er versank in Dunkelheit.
    Die Anstrengung dieses Zaubers überstieg seine Kräfte…
    ***
    Zamorra war rücklings aus dem Fenster gestürzt! Von einem Moment zum anderen tat sich unter ihm ein gewaltiger Abgrund auf. Zeit zum Nachdenken blieb ihm nicht - trotz der Höhe von immerhin 15 Metern verblieben gerade mal anderthalb Sekunden bis zum Aufprall!
    Angesichts des Todes kann sich eine so kurze Zeitspanne zu einer Ewigkeit dehnen. Irgendwie erkannte Zamorra aus den Augenwinkeln einen Baum, an dem er vorbeistürzte, und irgendwie wünschte er sich inbrünstig, in diesem Baum zu landen und von seinen Zweigen abgefangen zu werden, anstatt im

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