0488 - Blutregen
wurden für Zamorra zur Qual. Noch einmal versuchte er eine Teleportation, aber auch dieser Versuch war zum Scheitern verurteilt. Es gab praktisch nur noch eine Erklärung: Zweimàl war Robor mit ihm teleportiert, und dabei war vermutlich etwas von seiner Energie auf Zamorra übergegangen, so daß dieser mit dem letzten Energierest in den Baum gelangt war.
Diese Erklärung löste allerdings nicht das größte Problem: Wie kam Zamorra unbemerkt von hier fort?
Er atmete erleichtert auf, als der letzte Bruder wieder im Tempelinneren verschwunden war, weil er jetzt endlich seine Stellung sichern konnte. Hinabzuklettern wagte er noch nicht, weil er damit rechnete, daß noch einmal jemand zurückkehrte.
Und richtig - da war tatsächlich noch jemand! Ein Bruder vom Stein, der langsam heranschlenderte und sich dabei auf eine seltsame Art bewegte, die Zamorra irgendwie bekannt vorkam!
Sehr viel konnte er in der Dunkelheit nicht erkennen; erstens wurde sein Sichtfeld durch das Laub stark eingeschränkt, und zweitens hatte er noch mit der Schwache zu kämpfen, die ihn schon einmal in die Bewußtlosigkeit gezwungen hatte; vermutlich eine Folge der Teleportation. So lautlos wie möglich wartete er ab.
Aber etwas an diesem Bruder kam ihm recht weiblich vör. Ein dumpfer Verdacht kam in ihm auf, als er den Haarschopf sah. Und dann setzte der vermeintliche Bruder plötzlich einen Dhyarra-Kristall ein!
Nicole?
Wie, bei Merlins Weisheitszahn, kam sie hierher? Wie hatte sie ihn gefunden? Wußte sie, daß auch Cristofero in der Nähe war?
Das Leuchten des Kristalls erlosch.
»Nicole«, raunte Zamorra. »Erschrick nicht - ich bin über dir. Im Baum.«
***
Unwillkürlich zuckte sie zusammen. Sekundenlang glaubte sie an eine Täuschung, weil sie geglaubt hatte, Zamorras Nähe fühlen zu können, wenn er da war. Aber sieghafte nur die Präsenz eines fremden Wesens gespürt.
Und doch war es seine Stimme. Als sie aufsah, kletterte er langsam aus dem Baum nach unten und legte den Rest im Sprung zurück.
»Ich wußte es, daß du noch lebst«, flüsterte Nicole. »Bist du in Ordnung?«
»Als Antwort ein klares ›Jein‹«, erwiderte Zamorra. »Ich bin ein bißchen lädiert und ein bißchen groggy, aber ich lebe. Wo ist der Notausgang?«
Nicole wies in die Richtung, aus der sie gekommen war. »Verkehrte Welt«, stellte sie dabei fest. »Normalerweise bin doch ich die nackte Schönheit, die vom starken Helden gerettet wird. He, du bist verletzt.«
»Ein paar Kratzer. Hast du zufällig noch so ein Ersatzgewand? Meine Klamotten modern irgendwo im Tempel, aber ich halte es für zu riskant, noch einmal einzudringen und sie zu holen.«
»Unwichtig«, wehrte Nicole ab. »Hier stört sich niemand an deinem Prachtkörper. Komm mit, ehe sie uns doch noch erwischen.« Sie nahm ihn bei der Hand und zog ihn in Richtung Portal. »Uns gegenseitig unsere Geschichten erzählen können wir später.«
Resignierend folgte er ihr; anscheinend wußte sie, was sie tat. Sie schlüpften durch die Seitentür und verließen das Tempelgelände. Draußen wartete Don Cristofero. Zamorra winkte ihm zu, aber Nicole zog ihren Gefährten in die andere Richtung.
»Was ist los?« fragte Zamorra. »Was ist mit Cristofero?«
»Der kann bleiben, wo der Pfeffer wächst - oder hinter uns herschnaufen, wenn’s ihm beliebt. Laß uns erst mal verschwinden, dann erzähle ich dir, was passiert ist.«
Sie zog Zamorra mit sich in eine Seitenstraße, bog einige Male kreuz und quer ab und verharrte schließlich in einer düsteren Gasse. Es stank nach Unrat, und in der Nähe pfiffen Ratten.
Nicole streifte das Gewand ab und gab es Zamorra, der sich anschließend gleich etwas wohler fühlte. Wenig später kreuzte Don Cristofero auf. Er würdigte Nicole keines Blickes, begrüßte Zamorra aber recht überschwenglich. »Ich hatte schon befürchtet, Ihr wäret tot, Monsieur deMontagne«, sagte er.
»Gehofft«, warf Nicole ein. »Er spekulierte bereits offen über einen Erbschaftsantritt, dieser Lump.«
»Oh, da handelt es sich um ein Mißverständnis«, versicherte Cristofero. »Ich beliebte mich ein wenig in reinen Spekulationen über den hoffentlich nicht so bald eintretenden Fall der Fälle zu ergehen. Eure Mätresse interpretierte das falsch. Wollt Ihr die Freundlichkeit besitzen, sie dementsprechend zu instruieren?«
Zamorra schüttelte den Kopf.
»Ich will die Freundlichkeit nicht besitzen«, sagte er. »Ich besitze statt dessen die Unfreundlichkeit, Sie zu fragen,
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