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0488 - Blutregen

0488 - Blutregen

Titel: 0488 - Blutregen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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aus den Augen zu gehen. Sollte er sehen, wie er wieder zur Erde zurückkehrte! Er war ja so unheimlich schlau und allwissend!
    Nicole erreichte den Tempel. Daß sie sich in Gefahr begab, war ihr momentan nicht klar. Der Ärger blockierte alle Gedanken. Sie machte sich nicht einmal die Mühe, sich ein etwas männlicheres Aussehen und auch eine männlichere Gangart zuzulegen. Sie marschierte nur einfach drauflos, lediglich getarnt durch das Bruderschafts-Gewand.
    Sie betrat den riesigen Rachen des »Schädels«, aber nicht den Tempel selbst. Direkt vor dem in der Rachenhöhle liegenden Tor führten zwei schmale Türen rechts und links in den Bereich zwischen eigentlichem Tempelgebäude und der Umfassungsmauer. Die rechte Tür war nicht verriegelt. Nicole öffnete sie und trat auf eine gepflegte Grasfläche hinaus. Es war ein schmaler fünfzehn Meter breiter Streifen, von Ziersträuchern und Obstbäumen bewachsen. Vielleicht eine Art Erholungsgarten für jene, die im Tempel selbst wohnten und beim Blick aus dem Fenster nicht nur auf eine kahle Bodenfläche und eine ebenso kahle Mauer schauen wollten.
    Ein paar Brüder bewegten sich noch hin und her, als suchten sie etwas, und nahmen von Nicole keine Notiz, die erst einmal erschrocken über das Gewimmel an der Tür stehengeblieben war. Jetzt erst wurde ihr bewußt, welches Risiko sie einging, und sie bereitete sich darauf vor, blitzschnell ihr Beutegewand entweder hochzukrempeln oder aufzureißen, um an ihre Waffe zu kommen. Aber die Brüder zogen sich bereits wieder zurück und verschwanden in kleinen Türen, die direkt in den Tempelbau führten.
    Nicole wartete noch eine Weile, dann setzte sie sich wieder in Bewegung. Sie hatte sich gemerkt, wo etwa Zamorra aus jenem Fenster gestürzt war, das gut 15 Meter über dem Boden lag. Was sie wunderte, war, daß die Brüder nicht fündig geworden waren. Oder hatten sie Zamorra bereits abtransportiert gehabt, als Nicole auftauchte, und suchten danach nur noch nach Spuren?
    Das Gras war niedergetreten. Das Sternenlicht war nur schwach. Aber dort, wo Zamorra aufgeschlagen sein mußte, war kein Blut im Gras zu sehen. Dabei konnte er einfach nicht unverletzt geblieben sein. Tot war er sicher nicht, aber mit seinen Sturzverletzungen vielleicht dem Tode nahe. Wieder wallte in Nicole der Zorn auf, als sie an Cristoferos Pietätlosigkeit dachte. Besaß dieser Mann denn überhaupt kein Fingerspitzengefühl?
    Durch den Stoff des Gewandes hindurch fingerte Nicole den Dhyarra-Kristall aus der Overalltasche. Er fiel ins Gras; sie hob den kleinen blauen Sternenstein auf und aktivierte ihn. Er hatte für Licht zu sorgen. Wenn Nicole durch dieses Licht entdeckt wurde, konnte sie sich immer noch ihrer Haut wehren; sie war jetzt bereit, das Risiko einzugehen. Sollte Zamorra dermaßen schwer verletzt sein, daß er ohnehin bald sterben würde, hatte es auch für sie keinen Sinn mehr weiterzuleben. Mit ihm würde ein Teil von ihr sterben. Sie waren eins, im Leben wie im Tod.
    Doch sie mußte herausfinden, was mit ihm geschehen war. Warum fand sie keine Spuren von seinem Aufprall?
    Der blaue Kristall strahlte Licht ab. Aber auch jetzt konnte Nicole nichts wahrnehmen. Sollte Zamorra nur innere Verletzungen davongetragen haben? Das war eigentlich unvorstellbar.
    Sie ließ den Kristall wieder erlöschen. Mit seiner Helligkeit brauchte er nicht länger als unbedingt nötig Verräter zu spielen, und wo es nichts gab, konnte auch nichts gesehen werden. Nicole beschloß, den Sternenstein vorläufig einsatzbereit in der Hand zu behalten und sich nunmehr einer der Türen zuzuwenden, durch die die Brüder vom Stein diesen »Vorgarten« betreten hatten. Durch eine dieser Türen mußten sie Zamorra fortgebracht haben.
    Sie mußte ihn finden, mußte wissen, was mit ihm los war. Nur dann würde sie halbwegs Ruhe finden können.
    In genau dem Augenblick, als sie sich dem Tempel zuwandte, spürte sie, daß sie nicht allein war.
    ***
    Robor wünschte sich zu den Brüdern hinunter, die den Tempel eben wieder betreten hatten. »Was ist geschehen?« fragte er scheinheilig. »Wer hat geschrien?«
    Einer der anderen machte sich zum Sprecher. »Wir haben niemanden gefunden«, lautete die Zusammenfassung dessen, was die Durchsuchung des »Gartens« erbracht hatte. »Niemanden, der diesen Schrei von sich gegeben haben könnte. Vielleicht kam er von außerhalb der Mauer. Aber dort haben wir natürlich nicht nachgesehen. Das ist Sache der Wächter.«
    Robor lächelte

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