0488 - Blutregen
eigenem Willen? Ich will wissen, was die Wahrheit ist, und ich will wissen, ob ich dem Vizehauptmann Landaron Unrecht getan habe! Ich will es wissen - sofort! Weckt diesen Mann auf!«
Robor keuchte. Nachdem er schon behauptet hatte, Sulas Geist sei verwirrt, konnte er dieses Argument kein zweites Mal Vorbringen. Jeder kannte und schätzte Solonys, und jeder wußte, über welch klaren Verstand der alte Mann verfügte.
In diesem Moment geschah das Unglaubliche:
Es regnete Blut!
***
Cristofero wirbelte herum. Entgeistert erkannte er den Gnom. »Wie kommt denn Er hierher?« entfuhr es ihm. »Hat man den Weg hierher und den Weg zurück endlich gefunden? Aber wie ist das möglich? Die Blumen sind verbrannt!«
»Eine wächst, Gebieter«, sagte der Gnom. »Oh, ich bin froh, Herr, Euch gesund wiederzusehen. Ihr werdet kaum glauben, welche Schwierigkeiten ich auf mich nahm, um Euch zu finden.«
»Mich deucht, Er hat sich die Schwierigkeiten durchaus zu versüßen verstanden«, behauptete Cristofero. »Er stinkt recht penetrant nach Honig!«
»Wenn’s Honig ist, Herr, dann ist’s magischer Honig. Er war es, der mir den Weg hierher wies. Nektar der Regenbogenblumen, von denen es noch eine gibt.«
»Na, wunderbar«, brummte Cristofero. »Doch frommt uns dies kaum, alldieweil der Herr deMontagne in Gefangenschaft geriet. Zuvörderst werden wir zu seiner Befreiung schreiten müssen; hernach erst steht die Rückkehr an.«
Er sah den Soldaten nach, die Zamorra und Nicole fortschleppten und gab dem Gnom einen heftigen Stoß. »Folge Er mir voran«, befahl er und schob den Schwarzhäutigen vor sich her.
Wenig später sahen sie den menschenwimmelnden Platz vor sich; mittlerweile hatte sich wohl mehr als das halbe Dorf versammelt, und Soldaten gab es auch in Hülle und Fülle. Niemand wollte es sich entgehen lassen, einen Tabubrecher zu sehen und mit Schmähreden zu bedenken. Doch dann entwickelte sich die Situation sprunghaft anders.
Cristofero fieberte. Ein Tumult bahnte sich an! Das war vielleicht eine Chance! Man mußte den Tumult nur noch ein wenig anheizen. Cristofero mußte an die Engländer denken, die er haßte und verabscheute. Die hatten einen Leitsatz: »Divide et impera - teile und herrsche!« Wenn es ihm gelang, die Leute so aufzubringen, daß jeder gegen jeden losging, konnte er vielleicht Zamorra - und seinethalben auch das Weib - außer Gefahr bringen. Natürlich hatte der Gnom dabei kräftig mit zuzupacken.
Aber vorher fiel dem Namenlosen noch eine andere Aufgabe zu.
Cristofero deutete auf den Beutel, den der Gnom mit sich schleppte. »Was hat Er da?«
»Magische Utensilien, Gebieter, in mannigfaltiger, wenngleich nur noch rudimentär vorhandener Art.«
»Ah, das ist gut!« stellte Cristofero händereibend fest. »Was zögert Er noch? Zaubere Er, was Er kann! Was auch immer es ist, was auch immer dabei herauskommt - je schlimmer, desto besser! Diesmal kann gar nicht genug fehlschlagen! Spute Er sich gefälligst! Diese Menschenmenge darf nicht mehr zur Ruhe kommen; was wir brauchen, ist Aufruhr und Durcheinander!«
»Aber«, staunte der Gnom, »was soll ich denn zaubern, Gebieter? Sicherlich habt Ihr gewisse Wünsche, die…«
»Tölpelhafter Troll!« fauchte Cristofero. »Irgendwas! Völlig egal! Nur schnell! Seine, dummen Fragen mag Er später stellen! Itzo wird gezaubert!«
Erschrocken machte der Gnom sich an die Arbeit. Er verstand die Welt nicht mehr. Und erst recht nicht seinen Herrn.
***
Es regnete Blut. Aus heiterem Himmel zuckten Blitze, wirbelte eine dunkelrote Wolke auf. Menschen schrien entsetzt auf. Das klebrige Rot regnete auf Robor herab, benetzte sein Gesicht und sein Gewand, verklebte die Haare. Er sprang von dem Podest herunter, versuchte der Wolke zu entkommen. Doch sie dehnte sich aus. Jetzt fiel der makabre Regen auch auf andere Menschen, erreichte immer mehr. »Das ist Blut!« ertönten die ersten Rufe. »Das ist ein Zeichen des Dämons!«
Solonys führte einen rotnassen Finger an die Lippen. Die Substanz schmeckte auch nach Blut! Der alte Mann reckte beide Arme hoch.
»Ein Gottesurteil!« schrie er. »Seht, wie der Blutregen Robor folgt! Meine Tochter spricht die Wahrheit! Robor ist der Schurke! Er ist der Dämonenknecht!«
Der Mordpriester teleportierte. Aber in seiner Panik verfehlte er das Ziel um gut fünfzig Meter. Statt in seiner Kammer im Tempel, erschien er über der Tempelmauer in der Luft wieder. Sofort stürzte er ab. Ein gellender Schrei ertönte. Unter Robor
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