0488 - Die Mumie und der Totengott
deshalb möchte ich Sie bitten, uns die Arbeit tun zu lassen, die wir tun müssen. So einfach ist das, Sir. Wir werden versuchen, mit Hilfe des Kreuzes die Pyramide zu knacken. Ich will Sie nicht über die Zeichen aufklären, aber es ist eine Chance, die wir unbedingt nutzen sollten, wenn Sie verstehen.«
Das tat er zwar nicht, aber er sprach auch nicht mehr dagegen und ging einen Schritt zurück.
Suko lächelte mir zu. »Viel Glück, John. Ich glaube, daß du es packst.«
»Hoffentlich.«
Mein Kreuz, das der Prophet Hesekiel in der babylonischen Gefangenschaft hergestellt hatte, besaß nicht nur die Insignien der Erzengel an den Seiten, es war auch mit magischen Zeichen versehen, die Hesekiel aus anderen Magien entliehen hatte, von denen er aber genau wußte, daß sie sehr wirkungsvoll sein konnten. So waren Zeichen eingraviert, die sowohl zur indischen, ägyptischen als auch zu anderen Mythologien zählten, wie zum Beispiel zur koptischen.
Ich vertraute hier auf das Allsehende Auge. Es war ein uraltes Zeichen, das im alten Ägypten entstanden war und von den Christen später übernommen wurde.
Das Kreuz war natürlich kein Sesam-öffne-dich, das bewies es auch, als ich es gegen die Außenhaut der Pyramide drückte und sich nichts tat, wobei ich noch Snyders Räuspern hörte, ein Ausdruck des Triumphs oder der Bestätigung, daß er recht behielt.
»Hat das überhaupt Sinn?«
»Warten Sie es ab«, sagte Suko. »Mr. Sinclair hat nur eine der Möglichkeiten probiert.«
Das stimmte. Um die Wand zu knacken, mußte ich zu anderen Mitteln greifen, das heißt, zu einer höheren Magie.
Ich sprach die Formel.
»Terra pestem teneto – Salus hic maneto!«
Die Worte waren nur leise über meine Lippen gedrungen, und ich hatte dabei das Allsehende Auge im Blick behalten.
Aber nicht dieses zur Darstellung der Osiris genommene Symbol strahlte auf, sondern ein anderes, das ebenfalls zu den altägyptischen Symbolen gehörte.
Es war das Ankh, dieses schlüsselartige Kreuz, auch Henkelkreuz genannt, das Symbol des ewigen Lebens und der fortzeugenden Kraft. Der Schein war hart, er blendete mich, wurde zu einem Strahl, der sich auf eine bestimmte Stelle an der Pyramidenwand konzentrierte.
Plötzlich sah ich kein Hindernis mehr. Es war so, als hätte jemand eine Tür in die Wand hineingeschnitten und sie für mich geöffnet.
So etwas ließ ich mir nicht entgehen.
Ich ging drei Schritte vor und betrat das Innere der Pyramide, während ich noch hinter mir den erschreckten Ruf des Colonels hörte, der wohl nicht begriff…
***
Auch mir war es ein wenig unheimlich zumute, als ich die gläserne Pyramide betrat. Auf meinem Rücken spürte ich die Gänsehaut. Das Kribbeln begann im Nacken, rann bis zum Steißbein und setzte sich dort fest. Ich war in eine andere Welt getreten und starrte nur auf mein Kreuz, wo das Ankh nicht mehr strahlte.
Völlig normal lag es wieder auf meiner Hand.
Ich drehte mich um.
Von außen her hatte ich in die Pyramide hineinsehen und alles klar erkennen können. Umgekehrt war dem nicht so. Als ich mich drehte und nach Suko schauen wollte, sah ich nur mehr einen zerfließenden Schatten. Ebenso wie von Colonel Snyder.
Nun ja, ich hatte es nicht anders gewollt und mußte die Folgen tragen. Der Vergleich hinkte zwar, trotzdem kam ich mir vor wie jemand, der einen fremden Raum betritt und sich zunächst einmal vorsichtig orientiert.
So erging es mir, als ich auf der Stelle stand und mich drehte. Ich hielt den Mund offen und atmete die kühle Luft ein. Sie war etwas kälter als die vor der Pyramide, und sie besaß einen etwas feuchten »Geschmack«.
Der Pyramidenboden oder die Grundfläche, wie es mathematisch heißt, war nicht mit feinem Sand bedeckt. Er bestand, wie auch die Seiten, aus dickem Glas, über das ich schritt und so gut wie kein Echo vernahm, obwohl ich nicht leise auftrat.
Ich ging durch die Stille.
Man kann sie mit verschiedenen Adjektiven belegen. Sie kam mir hier historisch, ehrfurchtsvoll und gleichzeitig auch unheilschwanger vor. Diese Pyramide besaß in ihrem Innern eine gewisse Magie, die ich wahrnahm.
Aller Wahrscheinlichkeit nach strömten die Mumie und der Schakal die Magie ab.
Beide wollte ich näher untersuchen und kümmerte mich zunächst um den Schakal, den Totengott Anubis, den die alten Ägypter stets als Schakal dargestellt hatten.
Er stand dort als graues Tier, hatte den Kopf leicht erhoben und die Schnauze geöffnet. Dabei sah er so aus, als würde er im
Weitere Kostenlose Bücher