049 - Trommeln des Todes
Summer?“
„Tot.“
Mit versagender Stimme betete ich meinen Text herunter. Ich war einer Ohnmacht nahe. Jedesmal wenn ich das kleine furchtbare Wort aussprach, zuckte das Gesicht David Clissons ein wenig mehr.
Clisson saß hinter dem Schreibtisch. Sein Büro, das in einer Baracke untergebracht war, sah sauber und ordentlich aus. Das Fenster gab einen düsteren, öden Ausblick frei, im Vordergrund standen riesige Raupenschlepper.
David Clisson, der alte Dave, war ein auffallend gepflegter Mann: Sein weißes Haar wies einen sorgfältigen Bürstenschnitt auf, glattrasiert, gepflegter Schnurrbart. Sein Leinenanzug war von makellosem Weiß.
Sein gedrungenes Kinn gab ihm ein wenig das Aussehen einer Dogge, und in seinen Gesichtszügen konnte man Anzeichen von Kummer erkennen, den er trotz betonter Kaltblütigkeit nicht zu verbergen vermochte. Unter der rauhen Schale pochte ein goldenes Herz.
Er sah mich mit seinen blauen Augen an, die zuweilen streng und autoritär blicken konnten. Ich hatte das Gefühl, daß er den Sinn meiner Worte noch nicht begriffen hatte. Zögernd fragte er: „Und … Jane Wilfrid?“
Auch ich zögerte. Aber ich war zu schwach, um meine Worte zu wählen.
„Tot“, antwortete ich mechanisch.
Ich sah, wie er die Lippen zusammenpreßte und fast unmerklich erschauerte. Ich hätte ihn auf diese Nachricht vorbereiten sollen und ihn an die Wahrheit behutsam heranführen müssen. Statt dessen sagte ich sie ihm brutal mitten ins Gesicht. Jane war seine Adoptivtochter gewesen, die er zärtlich liebte. Ja, ich hätte ihm nach und nach sagen sollen, daß alles so furchtbar, so töricht und entsetzlich gewesen war. Aber ich konnte nicht mehr kontrollieren, was ich sagte, was ich tat. Ich war gerade aus einer tiefen Ohnmacht erwacht und hätte das Bewußtsein von neuem verloren, wenn ich nicht halbausgestreckt in einem bequemen Sessel gelegen hätte.
Sofort hatte David Clisson angefangen, mich über den einen oder den anderen zu befragen, und jedesmal hatte ich ihm die nackte Wahrheit gesagt, unfähig, meine Worte vorsichtig zu wählen.
Die übrigen Anwesenden standen schweigend und mit entsetzten Gesichtern um mich herum. Doch ich bemerkte sie kaum.
„Peter van Broeck?“ Clissons Stimme klang rauh. „Tot“, antwortete ich. Erst am nächsten Morgen sollte mir bewußt werden, wie grausam ich gehandelt hatte. Aber jetzt, in diesem Augenblick, war ich am Ende meiner Kräfte.
Ich fühlte Clissons Blick freundschaftlich, doch voller Schmerz auf mir ruhen. Ich sah ihn wie durch einen Nebel. Ich rang nach Atem. Mein Anblick mußte erschreckend sein. Ich hatte mich seit drei Wochen nicht rasiert, meine Wangen waren eingefallen, meine Haare hingen wirr herab, und meine Kleider bestanden nur noch aus Fetzen; an meiner Jacke und an meinem Hemd fehlte ein Ärmel, meine nackten Füße waren schmutzverkrustet.
Der alte Dave hatte die Lippen zusammengepreßt und saß einen Augenblick unbeweglich da. Ich hörte sein hastiges Atmen und konnte doch nichts tun, als wie in Trance seine Fragen zu beantworten. „Ich habe gehofft …“ sagte er leise. Ich hörte seine Worte verschwommen, der Nebel um mich wurde dichter.
„Ich habe gehofft, daß man auch die anderen Mitarbeiter lebend finden würde … wenigstens einige von ihnen … so wie man Sie gefunden hat. Sie und Lucy Stewart. Sind Sie absolut sicher, daß die anderen tot sind?“
„Tot“, antwortete ich.
„Alle? Wirklich alle?“
„Ja, alle – außer Lucy und mir.“
Clisson schwieg.
Dann fragte er: „Haben Sie sie sterben sehen?“
„Ja, alle, einen nach dem anderen.“
Wieder folgte ein langes Schweigen. David Clisson hing seinen Gedanken nach. Plötzlich sagte er schroff:
„Erzählen Sie, wie es passiert ist.“
„Ja.“ Mehr konnte ich nicht hervorbringen. Es wurde plötzlich dunkel um mich. Ich sah nichts mehr. Ich verlor das Bewußtsein.
Als ich wieder zu mir kam, lag ich in einem Zelt. Dr. Bink war über mich gebeugt. Er schwenkte einen Wattebausch vor meiner Nase hin und her, dem ein scharfer Geruch entströmte.
Neben mir bemerkte ich auf einem anderen Feldbett eine regungslose Gestalt. Ich hob den Kopf.
„Lucy?“ fragte ich den Arzt.
„Ja, das ist Lucy.“
„Wie geht es ihr?“
„Sie ist ebenso erschöpft wie Sie. Aber sonst fehlt ihr nichts.“
Ich seufzte erleichtert und ließ mich wieder zurücksinken. Auf der Stelle war ich im Land des Vergessens.
Später erzählte man mir, daß ich in totenähnlichem
Weitere Kostenlose Bücher